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Richtig schreiben für Journalistinnen und Journalisten: Wenn die Fließen fliesen

Richtig schreiben für Journalistinnen und Journalisten: Wenn die Fließen fliesen Stephan Töngi gibt Sprachtipps für Journalisten.

„Vorsicht, Sprachfalle!“ Teil 87: Stephan Töngi ist auf eine arge Verwechslung gestoßen.

Mannheim – Der neue Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt, kurz BER, hat ganz schön was angerichtet: überlange Bauzeit, überbordende Mehrkosten. Und dann kommt auch noch dies dazu:

„Fließen, Holzoptik und Kunst an der Decke sind Geschmackssache“, hieß es in einer Bildunterschrift zum BER. 


Diese konnte schwerlich von einem journalistisch tätigen Hobbyhandwerker oder einer Handwerkerin stammen. Denn der oder diese hätte wahrscheinlich gewusst, dass die Fliesen nicht mit scharfem s =  Eszett geschrieben werden. In der hier vorliegenden Form wäre fließen mit ß ein Infinitiv, 1. oder 3. Plural im Präsens (fließen, wir fließen, sie fließen, s. das Liebeslied unten). 

Wer aber Fliesen verlegt, der fliest.

Außer Konkurrenz läuft der veraltete Begriff das Fließ, der einen Wasserlauf bezeichnet. 

 

Das Schriftzeichen ß ist ein Buchstabe, der allein im deutschen Alphabet vorkommt, aber nicht in der Schweiz.  

 

Seit  2017 ist das große ẞ Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung. Es wird selten gebraucht, etwa wenn ein Wort mit Großbuchstaben (Versalien) geschrieben wird, in dem ein für ein ß stehendes Doppel-S wie seine Umgebung großgeschrieben werden soll: Nehmen wir mal die Adressenangabe LESSINGSTRASSE, aus der dann schnell eine LESSINGSTRAẞE wird.

 

Und wie finde ich dieses Ungetüm auf meiner PC-Tastatur? Indem ich die Tastenkombination [Shift] + [Alt Gr] +[ß] drücke. Auf neueren Tastaturen lässt sich das große ẞ auch mit der Tastenkombination [Alt Gr] + [H] eingeben. Am Mac lässt sich das große ẞ nicht über die Tastatur eingeben.

 

Zurück zu unserem Ausgangspunkt – hier hilft ein altes Liebeslied:

Wenn alle Brünnlein fließen 
So muss man trinken 
Wenn ich mein' Schatz nicht rufen darf 
Tu ich ihm winken … 

 

In der nächsten Sprachfalle geht es um das mehrdeutige Verb „austreten“.

Die vom vergangenen Freitag verteilte Pikser.  

 

Stephan Töngi ist beim „Mannheimer Morgen“ für die Qualitätssicherung zuständig. Zuvor arbeitete er in der Politikredaktion als Redakteur sowie stellvertretender Ressortleiter. Bei seiner Tätigkeit begegnen ihm typische Schreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler. Mit seiner wöchentlichen Kolumne möchte er Kolleginnen und Kollegen davor bewahren, in die Fallen der deutschen Sprache zu tappen.