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Thomas Müller: "Zufriedenheit unserer Kunden ist unsere Zertifizierung des Alltags"

„Ohne überragende Zufriedenheit unserer Kunden können wir nicht existieren. Das ist die Zertifizierung des Alltags“, erklärt Thomas Müller, Leiter des traditionsreichen Journalisten-Zentrums Haus Busch im westfälischen Hagen.

Hagen - „Weiterbildung benötigt Freiräume für Experimente, um auf neue Anforderungen für Journalisten mit innovativen Seminarkonzepten reagieren zu können“, warnt Thomas Müller.

Thomas Müller sagt: „Mindest-Standards für Ausbildungsseminare sind hilfreich, aber die Vielfalt der verschiedenen Angebotsvarianten sollte auch gewährleistet sein und erhalten bleiben.“

 

Thomas Müller, Leiter vom Journalisten-Zentrum Haus Busch im westfälischen Hagen. Foto: Dieter Menne

 

 

Zertifizierungen sind mir kein dringendes Anliegen.

Die wichtigste Herausforderung für mich ist die ständige Aufgabe, ein traditionsreiches publizistisches Bildungsinstitut jeden Monat durch die Qualität seiner Seminarangebote am Leben zu erhalten.

Wenn das nicht gelingen würde über einen gewissen Zeitraum, wenn die Teilnehmer unserer Seminare mehrheitlich unzufrieden nach Seminarschluss abreisen würden und wenn das über einen Zeitraum von vielleicht einem halben Jahr passieren würde, dann spräche sich das blitzartig in der Branche herum und wir könnten am Jahresende das Haus schließen.

Ohne überragende Zufriedenheit unserer Kunden können wir nicht existieren. Das ist die Zertifizierung des Alltags.

Eine formale Zertifizierung ist mit hohen Kosten und zusätzlicher Arbeit - hauptsächlich mit Verwaltungsarbeit und kaum mit kreativer Arbeit - verbunden. Diesen finanziellen und zeitlichen Aufwand möchte ich gerne anders investieren: Geld würde ich lieber für die technische Ausstattung unserer Einrichtung verwenden und Zeit vorrangig als kreative Energie für die Entwicklung neuer Seminarangebote aufwenden.

Trotzdem bin ich kein vehementer Gegner einer Zertifizierung. Es sind in dieser Debatte auch nachvollziehbare Argumente für Zertifizierungen genannt worden, beispielsweise der Wunsch nach zuverlässiger „Orientierungshilfe in einem Angebotsdschungel“, wie es Ulrike Kaiser, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende und Sprecherin der Initiative Qualität im Journalismus (IQ), formuliert hat. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Initiative Qualität haben wir unterzeichnet wie viele andere Institutionen auch.

Haus Busch verweigert sich einer Zertifizierung nicht grundsätzlich. Aber es müsste zunächst konkreter über die Ziele und die Kriterien von spezifischen Zertifizierungen für journalistische Aus- und Weiterbildung diskutiert werden.

Das Journalisten-Zentrum Haus Busch ist außerdem bereits auch formal zertifiziert: Nach DIN EN ISO 9001:2008, das ist ein anerkannter Standard, der Anforderungen an ein wirksames Qualitätsmanagement in einem Unternehmen definiert.

Und wir sind außerdem zertifiziert nach AZAV (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung), das heißt als Bildungsträger anerkannt, der Bildungsmaßnahmen in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit beantragen kann. Diese beiden Zertifizierungen haben wir das erste Mal im März 2010 mit der CERTQUA (Gesellschaft der Deutschen Wirtschaft zur Förderung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen in der Beruflichen Bildung mbH) durchgeführt und sie ist aktuell gültig bis März 2016, nächste Woche findet das jährliche Audit zur Überprüfung statt. Auf unserer Website sind die Zertifizierungssiegel eingestellt.

Diese Zertifizierungen garantieren die Transparenz von Verfahren, die Qualität und Dokumentation von Abläufen, von Personalauswahl und Ausstattung sowie das Vorhandensein von detaillierten Evaluationen und deren Auswertung zur Verbesserung von Ergebnissen wie Kundenzufriedenheit, kurz: ein funktionierendes Qualitätsmanagement wird durch diese Zertifizierung bestätigt.

Zertifizierungen wie die ISO 9001 oder die AZAV sind ein branchenneutraler Standard und greifen nicht ein in die Konzeptionen und Inhalte der Seminare! Sie wirken nicht zwangsläufig standardisierend im Sinne von Vereinheitlichung von Inhalten der Aus- und Weiterbildung!

IHK-Zertifikate und andere zertifizierte Berufsabschlüsse haben dagegen geradezu das Ziel, Standardisierung herzustellen.

Sie definieren bestimmte Inhalte eines Lehrplans, so wie es auch in Lehrplänen der Schulen geschieht. Zusätzlich werden einheitliche Prüfungsanforderungen klar definiert und festgeschrieben. Es soll ja gerade erreicht werden, dass alle Absolventen einen einheitlichen und vergleichbaren Standard bestimmter beruflicher Kompetenzen haben, ganz egal, in welchem Betrieb oder bei welchem Bildungsträger sie Ihre Ausbildung beendet haben. Standarisierung durch Zertifizierung ist auch ein Grundprinzip bei der PZOK (www.pzok.de), die den Abschluss „PR-Berater(in)/PR-Referent(in) (PZOK)“ zertifiziert.

Was wollen wir im Journalismus und was wollen wir für Journalisten in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit?

Rückblick auf 1990: Tarifverträge definieren Standards für Redaktionsvolontariate und Bildungsträger

Der Tarifvertrag über das Redaktionsvolontariat an Tageszeitungen, gültig ab 1. Juli 1990, entspricht in vielem dem, was heute durch eine Zertifizierung geregelt werden könnte.

Auch werden Empfehlungen für den Besuch bestimmter außerbetrieblichen Bildungseinrichtungen für den 4-Wochen-Volokurs ausgesprochen (in § 6, Absatz 4), dort heißt es: „Dabei kann es sich nur um Maßnahmen bei gemeinsam von den Berufsverbänden der Presse anerkannten Instituten der journalistischen Bildungsarbeit (...) oder Einrichtungen mit gleichwertigem Angebot handeln“. Das kann als äquivalente Formulierung betrachtet werden für ein Qualitätssiegel, das man heute vielleicht alternativ durch Zertifizierung von Bildungseinrichtungen erwerben könnte. Doch dieser Tarifvertrag gilt noch immer, auch wenn er in der Praxis durchaus vielfältig unterlaufen wird.

 

Unser Gastautor: Thomas Müller leitet seit Oktober 2012 das Journalisten-Zentrum Haus Busch. Müller hat Romanische Philologie, Neuere Geschichte und Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum studiert. Das Deutsche Institut für publizistische Bildungsarbeit, Journalisten-Zentrum Haus Busch in Hagen ist das  älteste Institut der Aus- und Weiterbildung für Journalisten in Deutschland. Bereits 1960 gegründet, wurden unter seinem Dach die Vorläufer der heutigen Volontärseminare entwickelt. Seit 1990 sind sie für die Zeitungsvolontariate auch tarifvertraglich bindend.

 

Der Tarifvertrag von 1990 definiert journalistische Mindeststandards sehr ausführlich und definiert die Kernkompetenzen journalistischer Tätigkeit.

In diesem Sinne fühlen wir uns im Haus Busch auch weiterhin diesem Tarifvertrag verpflichtet, wenn wir unsere Volontärseminare durchführen. Selbstverständlich gibt es dabei auch Anpassungen und Modernisierungen, die wir im Geiste der Veränderung journalistischer Arbeitswelten vornehmen: Online-Journalismus, digitale Fotografie, digitale Layout-Gestaltung oder Social Media sind heute in den Seminaren selbstverständlich ein Thema.

Trotzdem vermitteln wir auch und gerade die klassichen Kernkompetenzen journalistischer Arbeit sehr gründlich und vielleicht „konservativ“: Recherche, Interviewführung, viele ausführliche Schreibtrainings zu den vielfältigen Darstellungsformen, alles das halten wir nach wie vor für relevant und bieten wir an.

Mindest-Standards für Ausbildungsseminare sind hilfreich, aber die Vielfalt der verschiedenen Angebotsvarianten sollte auch gewährleistet sein und erhalten bleiben.

Oscar Tiefenthal hat in seinem Debattenbeitrag hier bei newsroom.de geschrieben, dass eine zeitgemäße Anpassung dieser Mindeststandards für Volontariate und Volokurse sehr hilfreich wäre. Und Tiefenthal hat gefordert, dass Verlegerverbände und Gewerkschaften „endlich ihre Hausaufgaben erledigen und den bestehenden Tarifvertrag den Realitäten anpassen“ sollten. Ich stimme dem vollständig zu. Denn nach Abschluss eines neuen Tarifvertrags wäre die ganze Debatte über Zertifizierung journalistischer Ausbildungsinstitutionen vermutlich überflüssig und beendet.

Ein Aspekt ist mir auch sehr wichtig: Der freie Zugang zum Beruf „Journalist“ sollte unbedingt gewährleistet sein!

Der Beruf sollte geöffnet bleiben für (spätere) Quereinsteiger, die kein Volontariat gemacht oder kein Journalistikstudium absolviert haben. Das trifft auch für mich selbst zu.

Auch andere wie zum Beispiel Bernhard Remmers, journalistischer Direktor des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchses (ifp) in München, haben diese Forderung nach freiem Zugang zum Beruf „Journalist“ in dieser Debatte betont.

Die Weiterbildung benötigt Freiräume für Experimente, um auf neue Anforderungen für Journalisten mit innovativen Seminarkonzepten reagieren zu können.

Haus Busch als publizistisches Bildungsinstitut, das seit langer Zeit nicht nur Volontärseminare, sondern auch Weiterbildungsseminare anbietet, kann glücklicherweise auf ein großes Netzwerk von Beratern zurückgreifen: Das sind im wesentlichen unsere langjährig dem Haus verbundenen Dozenten.

Aber auch Kunden, die regelmäßig Seminarteilnehmer schicken, bringen Vorschläge ein.

Mit ihnen kann ich über Schwächen, Verbesserungsmöglichkeiten und neue Ideen für Seminare sprechen. Und im Netzwerk der Dozenten sprechen wir ebenfalls über die Notwendigkeit, neue, innovative Seminarangebote zu entwickeln. Dabei muss auch experimentiert werden. Wir müssen auch etwas ausprobieren können.

Beispielsweise ist ein neues, experimentelles Seminar „Mobiler Journalismus per Internet und Social Media“ schon daraufhin angelegt, dass es Lerneffekte bei allen geben wird und dass dieses Seminar beim zweiten Mal schon variiert ablaufen kann. Wie soll man solche experimentellen Seminarkonzepte jemals zertifizieren können? Trotzdem möchte ich auf diese Innovationen nicht verzichten wollen.

Wer zertifiziert die Zertifizierer?

Das ist eine berechtigte Frage, die Christian Sauer im ersten Statement aufgeworfen hat. Und sie ist bisher nicht beantwortet.

Thomas Müller