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Frank A. Linden: „Financial Times Deutschland ist Opfer der schumpetrischen Kraft“

„Das Erscheinen der FTD hat bei den maßgeblichen Wettbewerbern einen Innovationsschub ausgelöst; ob Handelsblatt oder die Wirtschaftsteile der großen Tageszeitungen, alle haben sich seit 2000 neu erfunden - den Maßstab setzte der Newcomer“, erklärt Frank A. Linden, der mit Gründungschefredakteur Andrew Gowers und mit Wolfgang Münchau den Start der FTD vorbereitet hat und sich für NEWSROOM an diese Zeit erinnert.

Stuttgart - Jede Publikation hat ihren Gründungsmythos, so wie jedes Unternehmen oder jeder Verein. Was am Anfang stand bleibt, prägt, wird verklärt und gehört doch zur Realität, vulgo zur Unternehmenskultur. Der Spirit der FTD heißt Mut. Nicht der unternehmerische Mut zweier Großverlage, Pearson und Gruner+Jahr, die  waren von ihrem Investment überzeugt. Nein, es war der Mut der ersten rund 80 Redakteure, die 1999 bei der damaligen Facts & Figures GmbH anheuerten.

Es war eine andere Zeit. Gute Wirtschaftsjournalisten waren rar, das Interesse an Wirtschaftsthemen war groß, kein guter Redakteur musste das Risiko FTD eingehen.  Und doch kamen viele der Besten, weil sie etwas bewegen und eine neue, frischere Art des damals oft recht betulichen Metiers mit anstoßen wollten.  Sie hielten das publizistische Trommelfeuer, ja die Häme der Etablierten aus, waren stolz auf den Start in "randständigen Möbeln", stritten munter mit den Verlegern um Konzepte, Inhalte, ja selbst um den Namen (die FTD sollte ursprünglich unter "Deutsche Financial Times" firmieren). Und sie schufen die beste neue Tageszeitung (sorry, liebe TAZ) seit der Nachkriegs-Gründerzeit.

Steffen Klusmann hat recht wenn er schreibt, dass die FTD die "schöpferische Zerstörungskraft des Internets" immer wieder fundiert beschreiben hat. Dass sein Blatt nun selbst Opfer dieser schumpetrischen Kraft geworden ist, hat vermutlich zwei Gründe: Das Erscheinen der FTD hat bei den maßgeblichen Wettbewerbern einen Innovationsschub ausgelöst; ob Handelsblatt oder die Wirtschaftsteile der großen Tageszeitungen, alle haben sich seit 2000 neu erfunden - den Maßstab setzte der Newcomer.  Der aber sprang zu kurz: Im Mittelpunkt stand die Zeitung, nicht das Internet.

Als erste Tageszeitung mit einer integrierten Print- und Onlineredaktion sowie mit zwei potenten Verlagen im Rücken hatte die FTD zumindest die Chance, einem neuen Geschäftsmodell den Weg zu ebnen - es wäre der riskantere, möglicherweise aber der nachhaltigere Weg gewesen. Nicht den Redakteuren, wohl aber den Verlagen fehlte der Mut dazu.

Hinzu kamen einige handwerkliche Fehler, die längst korrigiert sind, die aber mit dazu geführt haben, dass die FTD "nicht genug Speck ansetzen konnte" (Klusmann): Die Sportberichterstattung wurde anfänglich ebenso vernachlässigt wie der deutsche Mittelstand, verzichtet wurde auf "How to Spend it" - eines der besten Supplements der internationalen Zeitungslandschaft, herausgegeben von der "Financial Times". Post festum Betrachtungen die nichts daran ändern, dass es Andrew Gowers, Christoph Keese und Steffen Klusmann gelungen ist, mit ihrer Redaktion eine in jeder Hinsicht erstklassige Zeitung zu machen. Ihr Ende wird heute auch von jenen aufrichtig bedauert, die damals zum Angstbeißen neigten.

Zur Zukunft des Qualitätsjournalismus empfehle ich das Editorial von Steffen Klusmann: "Wirtschaftsjournalismus inspired by FTD" wird aus der deutschen Medienlandschaft nicht mehr verschwinden".

Frank A. Linden ist Geschäftsführer von Linden & Company GmbH - EASC-Group. Er war nie bei der FTD beschäftigt, hat aber mit dem Gründungschefredakteur Andrew Gowers und mit Wolfgang Münchau den Start der FTD vorbereitet - damals hieß die Firma noch "Facts & Figures GmbH". Hinzu stießen später Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs Axel Springer AG, und Steffen Klusmann, der heutige und damit auch letzte Chefredakteur der "Financial Times Deutschland".