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Funke-Chef Christian Nienhaus über die Zukunft des Regional-Journalismus, Konsul Hans Hoffmeister und die Nähe zu den Menschen

Eine eindrucksvolle Rede hat Funke-Geschäftsführer Christian Nienhaus am Freitag zu Ehren von Konsul Hans Hoffmeister gehalten.

 

Weimar - Der langjährige Chefredakteur der "Thüringischen Landesleitung" (TLZ) hat sich nach über zwei Jahrzehnten an der Spitze der TLZ in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger ist Bernd Hilder, früherer Chefredakteur der "Leipziger Volkszeitung".

Christian Nienhaus dankte Hans Hoffmeister und sagte: "Ich bin sicher, dass wir auch in Zukunft weiterhin mit Ihrer

Kreativität, Ihrem Engagement und Ihrem Mut rechnen dürfen. Nicht mehr in der Funktion eines Chefredakteurs, aber gewiss in der Rolle eines schreibenden Bürgers", so Nienhaus.

Newsroom.de dokumentiert die Rede des Essener Managers in leicht gekürzter Form.

Allem Gerede über die Folgen der Digitalisierung und das so genannte Zeitungssterben zum Trotz: Der (Regional-) Journalismus lebt und hat eine Zukunft! Das wird an einem Tag wie diesem ganz deutlich. Wie sonst wäre es denn zu erklären, dass heute so viele Menschen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft zusammengekommen sind, um den Chefredakteur einer Regionalzeitung in den Ruhestand zu verabschieden?

 

Auch Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin vom Freistaat Thüringen, kam zu der offiziellen Verabschiedung von Konsul Hans Hoffmeister (rechts). Mit im Bild: Inga Scholz, Geschäftsführerin der Zeitungsgruppe Thüringen, und Christian Nienhaus. Foto: Peter Michaelis

 

 

Zugegeben, wir haben es bei Hans Hoffmeister mit einem ganz besonderen Exemplar eines Regionaljournalisten zu tun. Er ist zweifellos ein Phänomen, wie es Paul-Josef Raue in dem gerade publizierten Gesprächsband mit dem schönen Titel „Hans Hoffmeister – Harmonie ist mir suspekt" formuliert hat. Lassen Sie mich kurz beschreiben, wie Hans Hoffmeister sich diesen Ruf erarbeitet hat.

Hoffmeister wurde in Ostwestfalen geboren. Nun sagt man Westfalen und erst recht Ostwestfalen eine gewisse Eigensinnigkeit, ja Sturheit nach. Ich finde, man könnte in diesem Zusammenhang auch von einem Hang zur Kompromisslosigkeit, gerade auch bei der Wahrheitssuche, und zur Unnachgiebigkeit sprechen. Fest steht, dass Hoffmeister ein führendes Mitglied des „Clubs der offenen Aussprache“ war und ist: Klar, direkt, sicherlich oft auch ruppig.

Aber zielgerichtet und letztlich auch fair.

Das sind Eigenschaften, die vielleicht das tägliche Miteinander nicht unbedingt einfach und bequem machen. Es sind aber Eigenschaften, die einen guten Journalisten auszeichnen. Und so nimmt es nicht Wunder, dass Hoffmeister recht bald eine steile Karriere begann.

Beim Westfalen-Blatt in Bielefeld wurde er bereits in jungen Jahren Chef vom Dienst und hinter dem Verleger und dem Chefredakteur die Nummer drei in der Redaktionshierarchie.

Aber Hierarchien interessierten und interessieren Hoffmeister nicht wirklich. Viel wichtiger war und ist für ihn das „Machen“, das Gestalten und Bewegen. So begab er sich noch in den letzten Monaten der DDR auf den Weg nach Thüringen.

Hier konnte er wirklich Zeitung machen. In Eisenach erweckte er mit der ihm eigenen Energie die „Tagespost“ zu neuem Leben. Man muss sich das einmal vorstellen: In nur wenigen Wochen gründete er 19 Lokalredaktionen, stellte die überregionale Redaktion neu auf, rekrutierte neue Köpfe für die Zeitung und und und.

Ich glaube, ich gehe nicht zu weit, wenn ich heute sage: Diese wilden Zeiten waren die schönsten Zeiten des Hans Hoffmeister. Es herrschte Aufbruchsstimmung und Hoffmeister gestaltete mit „seiner“ Zeitung diesen Aufbruch ganz wesentlich mit.

Als dann die damalige „Zeitungsgruppe WAZ“, die heutige Funke Mediengruppe, die Thüringische Landeszeitung übernahm und mit der Eisenacher Tageszeitung fusionierte, war es Hans Hoffmeister, der die Fusion gestaltete und zum Erfolg führte.

Gewiss, man muss mit solchen Formulierungen zurückhaltend sein. Aber ich möchte Hans Hoffmeister heute doch als einen herausragenden „Journalisten der Wende“ bezeichnen. Und zwar zum einen in diesem Sinne: Er ist der einzige Chefredakteur im Osten, der erfolgreich eine von

Westdeutschen gegründete Zeitung mit einer ehemaligen Parteizeitung der DDR zusammenführte.

Hoffmeister hat diese Fusion mal ironisch als „gewaltsame Zusammenführung“ bezeichnet. Es ehrt Hoffmeister – und zeigt die sensible Seite von ihm, die in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt ist – dass er die Fusion nur mit Skrupeln auf den Weg brachte. Es war einfach zu viel Personal da, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

In dem eben bereits erwähnten Gesprächsband beschreibt Hoffmeister eindrucksvoll, wie viele schlaflose Nächte es ihn gekostet hat, hier die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Hans Hoffmeister kann aber auch noch in einem anderen Sinne als „Journalist der Wende“ bezeichnet werden. Er wollte nicht nur das Geschehen an sich vorbeiziehen lassen, es beobachten, analysieren und darüber berichten.

Nein, sein Selbstverständnis als Journalist ging darüber hinaus: Nicht nur Realität abbilden, sondern auch Realität mitgestalten! Das war sein Anspruch.

Er wollte einen Beitrag zum Aufbau seiner neuen Heimat, seines Landes Thüringen leisten – „den Zug weiterbringen“, wie er es selbst einmal formuliert hat. Und dieses Selbstverständnis zeichnete auch seine Arbeit als Chefredakteur der TLZ über nun fast ein Vierteljahrhundert aus.

Nicht nur berichten wollte er über Regierungen und Parteien, über Wirtschaft und Gesellschaft. Nein, er wollte immer auch Entscheidungen und Entwicklungen mitprägen, mitgestalten. Sich in den „Meinungskampf“ einmischen. Ja, Meinung machen. Und: Entscheidungen herbeiführen, wenn der Eindruck entstand, dass sie aufgeschoben werden, dass den Verantwortlichen der Mut zum Treffen auch unbequemer Entscheidungen und zu ihrer Umsetzung fehlte.

In diesem Sinne versteht sich Hoffmeister als politischer Journalist. Als einer, für den Macht nie Selbstzweck sein sollte, sondern für den Macht immer nur Mittel zum Zweck sein dürfte, um die Situation in der Kommune oder im Land zu verbessern, um das Ganze voranzubringen. Das ist der Anspruch, den Hoffmeister an die Mächtigen in Politik und Wirtschaft stellte.

Das ist aber auch der Anspruch, denn Hoffmeister an sich selbst stellte. Denn er wusste und weiß sehr genau auch um seine Meinungsmacht als Publizist. Es kann nicht überraschen, dass dieses journalistische Selbstverständnis Hans Hoffmeister nicht nur Freunde eingebracht hat.

Kalt gelassen haben seine Interventionen in Form von Kommentaren, „Schlüsselloch-Betrachtungen“ oder Hintergrundberichten wohl Niemanden in Thüringen. Was da in Weimar gedacht und geschrieben wurde, hat nicht nur in Erfurt die Verantwortlichen bewegt.

Davon zeugen übrigens auch die Statements, die Paul-Josef Raue im Anhang des Gesprächsbandes versammelt hat. Die Bandbreite reicht von „großer Regionaljournalist“ bis „Kotzbrocken".

Bemerkenswert ist, dass sich beide Einschätzungen bei Vertretern aller politischen Lager finden lassen. Die jeweilige Parteienzugehörigkeit ist Hoffmeister egal - entscheidend ist für ihn ausschließlich die Frage, ob die Politikerin oder der Politiker seiner Meinung nach im Sinne der Kommune oder des Landes gute Politik macht.

Zu seinem Gestaltungsanspruch gehört, dass Hoffmeister mit „seiner“ Zeitung immer wieder Aktionen für das Land auf den Weg brachte und durchführte. Die Kampagnen „Thüringen tolerant“ oder „Weimar wehrt sich“ (gegen Neonazis) hatten eine enorme Wirkung in Thüringen, fanden aber auch bundesweit Beachtung.

Die TLZ wurde damit zum selbstbewusstesten, ja wichtigsten Sprachrohr der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Thüringen. Diese

Leistung ist überhaupt nicht hoch genug einzuschätzen. Auch dafür gebührt Hans Hoffmeister großer Dank.

Mit vielen anderen Aktionen, wie Kindergipfeln oder Theater-Initiativen, mit Serien- und Buchkonzepten wie „Villen in...“ oder „Weimarer Reden“, mit Interviews mit Wirtschaftslenkern und Verantwortlichen des kulturellen Lebens, prägte er die TLZ nachhaltig und machte sie unverwechselbar.

Vielleicht dankten Politiker, Unternehmen oder Intendanten nicht immer seinen Einsatz. Die Leserinnen und Leser aber taten es.

So ist es gewiss auch ganz stark der einzigartigen Handschrift von Hans Hoffmeister zu verdanken, dass die Leser auf ihre TLZ nicht verzichten wollen, zu ihrer Zeitung stehen. Die TLZ gehört für sie einfach dazu.

Deshalb hält sich die Auflage der TLZ auch vergleichsweise stabil. Und auch die Abonnentenzahl hat in den vergangenen Jahren – ganz gegen den Trend der Branche – nur unwesentlich abgenommen.

Hans Hoffmeister ist ein besonderes Exemplar eines Lokaljournalisten. Ich bin aber davon überzeugt: Der Ansatz, den Hans Hoffmeister hier in Thüringen verfolgt hat, ist ein ganz wichtiger Faktor für erfolgreichen Lokal- und Regionaljournalismus.

 

Amtsübergabe: Konsul Hans Hoffmeister (rechts), langjähriger Chefredakteur der "Thüringischen Landeszeitung", mit seinem Nachfolger Bernd Hilder (links), Funke-Geschäftsführer Christian Nienhaus und Inga Scholz, Funke-Statthalterin in Thüringen. Foto: Peter Michaelis

 

 

Die Nähe zu den Menschen – und zwar die wirkliche, nicht nur die postulierte -, die Identifikation mit der Region – ich scheue in diesem Zusammenhang nicht vor dem Begriff eines Lokalpatriotismus zurück – ,die Kreativität bei der inhaltlichen und gestalterischen Weiterentwicklung der Zeitung und der Mut zur Einmischung im Sinne des (regionalen) Gemeinwohls: Das macht guten Lokal- und Regionaljournalismus aus.

Wenn wir diesen Ansatz weiterverfolgen und weiterentwickeln, dann hat Regionaljournalismus eine Zukunft. Wir werden das bei der Funke Mediengruppe tun.

Wie Sie wissen, haben wir vor, unser Portfolio um das Hamburger Abendblatt und die Berliner Morgenpost zu erweitern. Mit unseren Blättern in Nordrhein-Westfalen, in Thüringen und Niedersachsen gehören wir dann zu den wirklich großen Regional-Zeitungsverlagen.

Uns ist bewusst, dass diese Rolle mit einer enormen Verantwortung verbunden ist. Wenn wir diese Rolle so ausfüllen, dass wir nah an unseren Lesern sind, dass wir die Entwicklung der Regionen, in denen wir präsent sind, im Sinne der Bürger mitgestalten, wenn wir uns immer fragen, was unsere Leser von uns erwarten und wenn wir in ihrem Sinne schreiben und uns einmischen – dann werden wir dieser Verantwortung gerecht.

Und dann ist mir auch um die Zukunft des Regionaljournalismus nicht bange. Ich darf Ihnen versprechen: Wir werden bei der Funke Mediengruppe in diesem Sinne weiter arbeiten. Lesernähe, Identifikation mit der Region, Kreativität und Mut zur Einmischung – das ist unser Verständnis von gutem Regionaljournalismus.

Wir werden dieses Verständnis hier in Weimar, Erfurt und Gera wie in NRW, Berlin und in Hamburg weiterhin zur Grundlage unserer Arbeit machen.

1500 Journalisten werden nach der beabsichtigten Übernahme für die Funke Mediengruppe arbeiten! Ich weiß nicht, ob es einen anderen Verlag in Deutschland gibt, der mehr Journalisten beschäftigt.

In diesem Sinne ist Hans Hoffmeister ein Vorbild für uns. Gewiss, es muss nicht immer alles so kantig und eckig sein, vielleicht auch nicht immer so polarisierend.

Aber auch das gehört zu unserem Verständnis: Der Chefredakteur ist frei in der Gestaltung der Inhalte und kann sich unabhängig von Interessengruppen um journalistische Qualität kümmern. Dabei ist ein Kriterium entscheidend: Es muss den Leserinnen und Lesern gefallen. Denn auch hier gilt das Credo erfolgreicher Verleger: „Wenn man predigen will, muss man dafür sorgen, dass die Kirche voll ist.“

Damit unsere „Kirche TLZ“ weiter voll bleibt, haben wir einen profilierten und erfahrenen Nachfolger für Herrn Hoffmeister gesucht und gefunden. Dass mit Bernd Hilder jemand die Nachfolge antritt, der bei der LVZ Chefredakteur einer deutlich größeren Zeitung, war, zeigt, dass er und wir die Aufgabe bei der TLZ als sehr herausragend bewerten.

Christian Nienhaus