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Nachrichtenchef Michael Klein über Postillon und Pofalla: "Ein Lehrstück zur Medienkompetenz"

Welche Lehren kann der Journalismus aus der Diskussion um die Postillon-Berichterstattung zum geplanten Wechsel von Ronald Pofalla zur Deutschen Bahn ziehen?

Berlin - Für Michael Klein, Nachrichtenchef der Zeitungsgruppe Lahn-Dill/Wetzlarer Neue Zeitung, ist sie ein echtes Lehrstück zur Medienkompetenz. In seinem Kommentar für Newsroom.de geht der erfahrene Journalist auch auf Vorwürfe ein und erklärt, warum auch die Deutsche Presse-Agentur wie alle anderen Medien ihre Informanten schützen muss. 

Dem Postillon ist zu danken: Er hat mit seiner Pofalla-Meldung anschaulich gemacht, wie leichtgläubig weite Teile der Netzgemeinde sind und wie wenig Vertrauen sie in das klassische journalistische Handwerk seriöser Medien haben.

 


Michael Klein, Nachrichtenchef Zeitungsgruppe Lahn-Dill/Wetzlarer Neue Zeitung. Foto: mittelhessen.de

 

Der Postillon hat somit die fehlende Medienkompetenz vieler Internet-Nutzer offengelegt, die man allerdings auch schon bislang in manchen Leser-Kommentaren auf Nachrichten-Seiten beobachten konnte.

Auf den ersten Blick erschreckend ist, dass große Teile der Internet-Nutzer einem Satire-Magazin mehr glauben als renommierten Medien. Allerdings relativiert sich dieses Bild, wenn man die Gesamtbevölkerung in den Blick nimmt.

Der klassische Zeitungsleser dürfte sich an dieser Debatte nicht in dem Maße beteiligt haben wie jene, die ihre Informationen ausschließlich kostenlos aus dem Netz beziehen. Der Unterschied zur Vor-Twitter-Zeit ist lediglich der: Deren Meinungen sind nun für jedermann sichtbar.

Medienkompetenz muss man lernen, sie kommt nicht von alleine. Projekte in Schulen wie etwa das "Klasse!"-Projekt der Zeitungsgruppe Lahn-Dill/Wetzlarer Neue Zeitung helfen, junge Menschen frühzeitig mit den journalistischen Arbeitsweisen vertraut zu machen. Das ist der Teil, den Medien zur Stärkung der Medienkompetenz beitragen können.

Es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass "Redakteur/in" ein Ausbildungsberuf ist. Insofern führen Debatten in die Irre, die am Fall Postillon/Pofalla ein "Versagen" der Medien festmachen wollen.

Einige Netzaktivisten propagieren diese These gleichwohl.

So wurde etwa der Nachrichtenagentur dpa auf Twitter vorgeworfen, sie habe die Quelle der Pofalla-Meldung nicht konkret genug benannt und sei deshalb selbst schuld, dass man dem Postillon mehr geglaubt habe.

Dazu ist zu sagen: Es gibt sehr gute Gründe, lediglich "Kreise" zu zitieren, gerade in diesem brisanten Fall - jedenfalls dann, wenn man sich eine sehr gute Quelle erhalten will. Eine zu starke Eingrenzung kann im Einzelfall einen Informanten entlarven und damit eine wichtige Quelle für künftige Nachrichten versiegen lassen.

Ich muss darauf vertrauen können, dass eine von dpa benannte Quelle ebenso wie die des Berliner Korrespondenten Werner Kolhoff belastbar ist, der die Pofalla-Meldung als Erster recherchiert hatte.

Dies zu wissen ist Medienkompetenz.

Wir Medienmacher können sie neben Schulprojekten und Projekten für Auszubildende wie "News to use" nur dadurch stärken, dass wir bei der Anwendung unseres erlernten journalistischen Handwerks konsequent bleiben.

Es ist eben ein großer Unterschied, ob man in einem Blog seinen Gedanken freien Lauf lässt (was unbestritten ein Wert an sich ist) oder nach festen Regeln den Dingen auf den Grund geht. Je mehr Fälle von der Art Postillon/Pofalla es künftig geben wird, desto größer ist die Chance, dass mehr Menschen diesen Unterschied kennen- und schätzen lernen. 

Michael Klein

Nachrichtenchef Zeitungsgruppe Lahn-Dill/Wetzlarer Neue Zeitung

 

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Die Twitter-Diskussion zwischen dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger und Digital Consultant und Blogger Thomas Knüwer gibt es hier. 

 

 

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