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Neuer Funke-Zeitungschef NRW Rolf Bollmann: Der unterschätzte Abräumer

Wer ist der Mann, der die Geschäftsführung der so wichtigen Tageszeitungen der Funke Mediengrupe in Nordrhein-Westfalen übernehmen wird? Ein Porträt von Markus Wiegand, erschienen in Ausgabe 8/2012 im „Schweizer Journalist“, bringt den erfahrenen Medien-Manager ein Stück weit näher.

Essen - „Rolf Bollmann (66) wird zum 1. August 2014 Verlagsgeschäftsführer in Nordrhein-Westfalen. Bollmann arbeitet zurzeit als Vorsitzender der Basler Zeitung Medien AG. Von 2005 bis 2012 gehörte er zur Unternehmensleitung der Tamedia AG (Zürich)“ - so meldete es die Funke Mediengruppe am vergangenen Freitag in einer Medienaussendung.

Aber wer ist der Mann? Um Rolf Bollmann näher zu kommen, veröffentlichen wir im Original das Porträt „Der unterschätzte Abräumer“, das Markus Wiegand, Chefredaktor des Newsroom-Schwestertitels „Schweizer Journalist“, im Jahr 2012 über Rolf Bollmann geschrieben hat.

 


Dieses Porträt über Rolf Bollmann (Bild) erschien zuerst im "Schweizer Journalist". Bestellen Sie hier Ihr persönliches Abonnement der Schweizer Journalisten-Zeitschrift.

 

 

Der Wechsel von Tamedia-Manager Rolf Bollmann zur „BaZ“ ist mehr als nur die überraschendste Personalie der Verlagsszene seit Jahren. Sie hilft Tamedia, strategisch in Basel alle Optionen offenzuhalten.

Vielleicht hat es Rolf Bollmann in seinem Leben am meisten geholfen, dass er oft unterschätzt wurde. Als er in den 60er-Jahren zu den Junioren des FC Winterthur stiess, belächelte man den naiven Arbeitersohn vom Lande mit dem eingeschränkten Talent. Das Ergebnis: Bollmann wurde Profi, absolvierte mehr als 200 Nationalliga-A-Spiele und sogar ein Länderspiel.

Nach der Karriere schaffte es Bollmann, der in Weisslingen im Zürcher Oberland in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, ins Management von Adidas und Helsana. Einem Prinzip aus seiner Fussballerzeit blieb er dabei treu: Fehlendes Talent glich er mit unbändigem Einsatz und Härte aus.

Für die „Magazin“-Geschichte „Memoiren eines Abräumers“ schilderte er einmal, wie er einen Top-Stürmer an die Kette legte: „Diese Erfahrung hat mich früh gelehrt, entweder du kannst mithalten, oder du bist draussen. Das ist nicht unbedingt positiv, aber es ist nun mal die Währung, die hier zählt. Es war eine Schule des Lebens.“

Es ist diese kompromisslose Härte gegen sich und andere, die viele Journalisten abstösst. Und tatsächlich unterteilt Bollmann Medienprodukte nicht in gut oder schlecht, auch nicht in links oder rechts, sondern nur in solche, die wirtschaftlich gut funktionieren, und solche, die bald gut funktionieren sollen.

Als neuer CEO der Basler Zeitung Medien hat er es eindeutig mit letzterer Gruppe zu tun. Die Nachricht, dass ausgerechnet der langjährige Tamedia-Manager Rolf Bollmann (64) die BaZ-Gruppe sanieren soll, überraschte viele in der Szene. Noch im Juni hatte Tamedia gemeldet, dass Bollmann 2013 in Pension gehen würde. Das deutet darauf hin, dass es zumindest keinen langfristigen Plan hinter der Verpflichtung gab. Offenbar begeisterte Filippo Leutenegger, VR-Präsident der BaZ-Gruppe, den befreundeten Bollmann für den Höllenjob eher kurzfristig. Im September meldeten BaZ und Tamedia dann den Vollzug.

Die Aufgabe dürfte nach Bollmanns Geschmack sein, denn der Manager liebt das Risiko. Als Verlagsleiter managte er in den 90er-Jahren die schwierige Fusion von „Badener Tagblatt“ und „Aargauer Tagblatt“, die half den Grundstein dafür zu legen, dass Peter Wanners AZ Medien heute eine nationale Ausstrahlung haben. 1999 folgte dann sein bisheriges Karrierehighlight. Er lancierte gegen das ungläubige Staunen des gesamten Verlags­establishments für den norwegischen Verlag Schibsted das Gratisblatt „20 Minuten“.

Ebenfalls ein Projekt ganz nach Bollmanns Geschmack: Einer gegen alle. Einige Male schrammte das Blatt hauchdünn an der Einstellung vorbei, die Norweger mussten rund 50 Millionen Franken investieren, aber am Ende ging die Rechnung auf. Tamedia kaufte „20 Minuten“ und nicht zuletzt die hohen Renditen des Pendlerblattes finanzierten den rasanten Expansionskurs des Unternehmens.

Wahrscheinlich ist die letzte Station in Bollmanns Laufbahn dennoch die schwerste: Das Druckereigeschäft der BaZ-Gruppe ist dringend sanierungsbedürftig. Manche schätzen, dass die überdimensionierten Anlagen bis zu 1 Million Franken Defizit im Monat einfahren. Und auch die „BaZ“ ist weit von der Umsatzrendite von 10 Prozent weg, die Bollmann im Interview mit dem „Journalist“ einmal als Zielmarke einer Zeitung „auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten“ nannte.

Dazu muss Bollmann harte Sparmassnahmen einleiten. Wie kompromisslos er dabei vorgehen kann, zeigte er bei den Massenentlassungen 2009 beim „Tages-Anzeiger“. Weil das Tamedia-Management wegen der harten Einschnitte einen Streik der Redaktion fürchtete, hatte er vorsorglich einen Plan inklusive Streikbrechern in der Schublade, um das Erscheinen der Zeitung notfalls zu sichern.

Das Ungewöhnlichste am Wechsel Bollmanns ist aber, dass es eigentlich gar kein Wechsel ist. In der Tamedia-Mitteilung heisst es: „Rolf Bollmann wird Tamedia bei der Weiterentwicklung der regionalen Medien im Raum Zürich bis Ende 2014 auf Mandatsbasis unterstützend zur Seite stehen.“ Ausserdem behält er wichtige Verwaltungsratsmandate. Das erinnert eher an einen Ausleih nach dem Prinzip Rent a Manager.

Wer Bollmann kennt, weiss zudem, dass er eine hohe Loyalität zu Tamedia-Verleger Pietro Supino verspürt. Beide werden nicht nur gelegentlich zusammen beim Joggen gesichtet, der Verleger schätzt offenbar den Rat des alten Haudegen, der Supino seine Meinung frei von Karriereüberlegungen sagen kann. „Meine Karriere neigt sich dem Ende zu. Ich muss mich nicht mehr positionieren“, sagte Bollmann dem „Journalist“ 2009.

Der Manager hat also weiter Mandate für Tamedia und eine Loyalität zum Haus. Das bedeutet, dass Bollmann in seiner Funktion als CEO der Basler Zeitung Medien nicht gegen die Interessen von Tamedia verstossen wird. Deshalb ist die Bollmann-Personalie für die anderen Verlage von höchster Brisanz: Tamedia rückt noch näher an die „BaZ“ und hat strategisch bei einer möglichen Neuordnung des Basler Marktes einen Fuss in der Tür.

Die Weichen dafür hatte Bollmann Anfang Mai noch selbst gestellt: Da hatten die Basler Zeitung Medien ihre langjährige Kooperation mit Tamedia verlängert: vor allem die Inseratekombi ist für die „BaZ“ wirtschaftlich wichtig. Aber auch beim Newsnet und beim „Magazin“ arbeitet die Achse Zürich-Basel weiter zusammen. Wahrscheinlich ist jetzt, dass zusätzlich eine Vereinbarung zwischen Tamedia und BZM im Druckbereich dazugekommen ist. Filippo Leutenegger, VR-Präsident der BZM, sagte dem „Journalist“ zur Verpflichtung Bollmanns: „Wir arbeiten gut mit Tamedia zusammen. Bollmann ist von der BaZ angestellt und hat abgesehen von einigen Verwaltungsratsmandaten keine weiteren Verpflichtungen bei Tamedia.“ Und er fügte hinzu: „Rolf Bollmann ist ein freier Mann.“

In der erwähnten „Magazin“-Geschichte schildert Rolf Bollmann, dass er nach dem Wechsel zum FC Winterthur als Jugendlicher zu jedem Training 13 Kilometer hin und 13 Kilometer zurück lief. Ganz einfach, weil er sich kein Velo leisten konnte.

So einem sollte man einiges zutrauen.

Markus Wiegand

NEWSROOM-TIPP: Dieses Porträt über Rolf Bollmann erschien zuerst im "Schweizer Journalist". Bestellen Sie hier Ihr persönliches Abonnement der Schweizer Journalisten-Zeitschrift.

 

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