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Tobias Wolf: Warum denn nicht?

„Journalist – wer will denn das werden?“ - Mit dieser provokanten Frage hat mich am ersten Hochschultag ein Kommilitone aus dem Fachbereich Maschinenbau willkommen geheißen. Von Tobias Wolf.

Gelsenkirchen - Hätte ich Zeit und Equipment parat gehabt, so hätte ich ihm eine 30-minütige PowerPoint-Präsentation vorgetragen, welche in die Frage gipfelt: „Warum denn nicht?“ Doch noch ehe ich zum ersten Atemzug ausholen konnte, hatte mich die Stimme unseres Direktors unterbrochen.

Tatsächlich ist die Frage des Studienkollegen legitim.

 


Tobias Wolf möchte seinen Mitmenschen Wissen vermitteln. Er studiert im ersten Semester am Institut für Journalismus und PR an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen.

 

In Zeiten, in denen gefühlt wöchentlich davon berichtet wird, dass Tageszeitungen Stellen abbauen und in denen der festangestellte Journalist eine Rarität geworden ist, existieren wahrlich bequemere Berufe als die des rasenden Reporters.

Und glauben Sie mir, mein Vater hätte sich fast an seiner Brezel verschluckt, als ich ihm mitteilte, dass ich weder Bankkaufmann, Versicherungsvertreter, noch beim Finanzamt anfangen möchte, sondern mich im Haifischbecken Journalismus ausprobiere. „Das ist doch kein anständiger Job!“, war noch der mildeste Kommentar.

Natürlich mache ich mir da Gedanken, ob ich mit meiner Wahl richtig liege oder es nicht sinniger wäre, mich beruflich umzuorientieren.

Ich fragte mich in manch unruhiger Nacht: "Was ist, wenn du dein Studium abgeschlossen hast und doch keine Arbeit bekommst? Was wenn du darauf angewiesen sein wirst, einen Job anzunehmen, bei dem du gerade noch so deine Familie ernähren kannst?" In dieser Zeit dieser Unsicherheit suche ich das Gespräch mit Journalisten.

Volontäre, Freie Mitarbeiter und Redakteure aus dem Bereich Print. Auch Bücher von Journalisten für Journalismus verschlinge ich geradezu (zum Beispiel: "Journalismus - Was man können und wissen muss" von Henning Noske).

Das Ergebnis: zweigeteilt.

Es gibt Stimmen, die von dem Beruf abraten. Sie empfehlen den Absprung in die PR aus den klassischen Gründen. 

Es gibt aber auch positive Stimmen. Eine freie Mitarbeiterin, die davon überzeugt ist, dass trotz sinkender Auflagen die gedruckte Zeitung noch lange Zeit überleben wird, weil es in jeder Generation viele Menschen gibt, die eine Zeitung immer dem Internet vorziehen würden. 

Oder einer unserer Professoren, Karl-Martin Obermeier, der davon spricht, dass wir keine Krise des Journalismus, sondern eine der Rahmenbedingungen haben, da die Onlinemedien zu viele Informationen umsonst anbieten.

Sollten hierfür Lösungen, zum Beispiel Paywalls, gefunden werden, so kann dem Einnahmeneinbruch entgegengewirkt werden.

Eine weitere Idee von ihm ist, die ich so unterstreichen kann, dass  es immer einen Lokalteil geben wird, da die Leser sich nur durch diesen über die Situation in ihrem Lebensumfeld  objektiv und ohne den Einfluss von politischer Verklärung informieren können. Denn große Zeitungen berichten im überregionalen Teil eher weniger über spezifische Belange einzelner Städte und Dörfer. Diese könnten ohne Lokalteil nur in der Stadtseite in Erfahrung gebracht werden und diese ist weniger seriös. Zudem brauchen wir professionelle Journalisten. Selbst in Zeiten, in denen das Bloggen populär geworden ist. Ein Journalist steckt meist tiefer in der Materie, hat andere Möglichkeiten und ist vor allem geschult worden, Informationen abzuwägen und einzuordnen.

Die Medien dürfen und werden also nicht aussterben. Alles in allem bin ich der Überzeugung, dass sich Qualität am Ende durchsetzt. Wenn man sein Handwerk beherrscht und sich gut präsentieren kann, dann spricht wenig dagegen, dass man es schafft. Natürlich muss man sein Handwerk ständig schleifen und gerade an Anfang muss ein angehender Journalist viel an sich arbeiten. Ich bin der Überzeugung, dass ich das Potenzial habe, ein guter Journalist zu werden und dass dies mit viel Engagement und Arbeit gelingen kann.     

Ich glaube, dass dieser Beruf am besten zu meinen Fertigkeiten passt und in dem ich durch fleißige Arbeit erfolgreich sein kann. Warum das so ist? Natürlich spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.

Die vier Wesentlichen, auf die ich kurz eingehen möchte, sind: Meine Liebe zum Schreiben, mein Wissensdurst, mein Bedürfnis, anderen mein erworbenes Wissen mitzuteilen und mein Bestreben, es anders zu machen als einige der alteingesessenen, etablierte Journalisten.

Zum Schreiben: Während meiner Schulzeit gelang es mir, mit Texten und Arbeiten aufgrund meiner Formulierungen Mitschüler wie Lehrer emotional zu berühren. Es klingt vielleicht albern, aber wenn nach dem Vorlesen einer meiner Ausarbeitungen jemand mit feuchten Augen gesagt hat „Das ist Tobias!“, dann bekam ich eine Gänsehaut.

Wenn ich Menschen mit meinen Schriften berühren kann, dann berührt dies auch mich.

Zu Punkt zwei: Es ist mir wichtig, mein Allgemeinwissen ständig zu erweitern. Und wo kann ich dies besser als im Journalismus?

Zu meiner Zeit bei der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ habe ich jeden Tag etwas Neues gelernt.

Ich bekam Einblicke, die kaum ein anderer erhält.

Ich konnte auf einen Meeting dem Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski die Hand schütteln und am Telefon mit dem Trainer des ehemaligen Regionalligisten SG Eintracht Gelsenkirchen ein Interview führen.

Letzteres ist für einen Fussballfan wie mich eine große Ehre gewesen.

Zum dritten Punkt: Nichts macht mich mehr stolz als mit meiner Leidenschaft  – dem Schreiben – meinen Mitmenschen Wissen zu vermitteln.

Wenn ich aktiv mithelfen kann, die Bildung zu fördern.

Zu guter Letzt: Ich verfolge regelmäßig medienkritische Online-Formate.

Der Bildblog dürfte jedem ein Begriff sein. Holger Kreymeiers fernsehkritik.tv oder Lars Golenias fern-gesehen.com sind empfehlenswerte Pendants für das Medium Fernsehen.

Es schockiert mich sehr, wenn ich dort lese, wie manche Journalisten die Grundregeln des Pressekodex mit Füßen treten. Pressekodex, also Regeln und Vorschriften – klingt natürlich nicht sexy.

Aber es ist aus meiner Sicht verwerflich, wenn Journalisten die ihnen übertragene Macht und Verantwortung missbrauchen. Das Missachten der Sorgfaltspflicht, der Rechte der Opfer oder der Unschuldsvermutung durch manche Journalisten stören mich. Es ist eine Motivation für mich, es anders zu machen. Dies ist mein Bestreben!

Aus dem Traum, Reporter in Bereich Print und Online zu werden, ist ein Ziel geworden. Denkbar ist es, dass ich scheitere. Gewagt wäre es,  diese Option um das Adjektiv „unmöglich“ zu ergänzen. Aber ich will mir nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Denn wäre ich, wie es mein Vater mir geraten hat, Bankkaufmann oder Versicherungsvertreter geworden und hätte ich vor dem Arbeitsbeginn am Frühstückstisch eine Tageszeitung in die Finger bekommen - wahrlich hätte ich mein Frühstücksei nicht genießen können.

Tobias Wolf

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