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Internet-Lexikon Wikipedia wird zehn Jahre alt

Rasante Expansion trotz Zweifel an Verlässlichkeit.

New York (AFP) - Der erstaunliche Erfolg des Internet-Lexikons Wikipedia lässt sich auf eine schlichte Erkenntnis zurückführen: Menschen haben viele Fragen, und Fragen verlangen nach Antworten. Wikipedia gibt viele Antworten, Dutzende Millionen in hunderten von Sprachen, und das nun schon seit einem Jahrzehnt. Am Samstag vor zehn Jahren gründeten die Internetfreaks Jimmy Wales und Larry Sanger in den USA die netzgestützte Wissensfundgrube Wikipedia, die inzwischen in die Top Ten der weltweit meistgenutzten Internetseiten aufgestiegen ist. Die Plattform wächst und wächst - trotz gewisser Zweifel daran, ob ihre Antworten wirklich immer korrekt sind.

"Wikipedia ist viel erfolgreicher, als wir je zu glauben und zu hoffen wagten", sagt Sue Gardner, die Geschäftsführerin der in San Francisco ansässigen Wikimedia-Stiftung, die das Non-Profit-Projekt betreibt. "Es hat sich praktisch verselbständigt", fügt Gardner im Interview mit AFP hinzu. Heute umfasst Wikipedia 26 Millionen Lexikoneinträge in mehr als 250 Sprachen und wird von über 400 Millionen Menschen genutzt.

Wissbegierde und Mitteilungsdrang der Nutzer scheinen keine Grenzen zu kennen. Wikipedia sei "viele Male größer als jedes gedruckte Nachschlagewerk in der Geschichte der Menschheit", sagt Gardner. Das revolutionär Neue an dem Lexikonprojekt ist, dass wirklich jeder Nutzer Einträge schreiben und bestehende Einträge verändern kann. Das Projekt stützt sich also auf die kollektive Intelligenz einer weltweiten Nutzergemeinde. Die Autoren müssen keine Qualifikationen nachweisen, anders als bei traditionellen Lexika werden die Texte nicht durch Experten korrigiert.

Diese ungefilterte Offenheit macht Wikipedia natürlich angreifbar. Nutzer können gezielt Fehlinformationen in die Beiträge einstreuen, Angaben manipulieren, sich einen Spaß mit Nonsens-Passagen machen. Das Wikipedia-Konzept stützt sich aber auf die Überzeugung, dass solche Fehlinformationen sofort von aufmerksamen Nutzern korrigiert werden. Wikipedia ist somit ständig in Bewegung.

Eine wissenschaftliche Untersuchung zur Korrektheit der Wikipedia-Informationen, die 2006 im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, bewertete die Treffgenauigkeit der Einträge als "überraschend gut". Die Zahl der Fehler nicht sehr viel größer als etwa in der Encyclopedia Britannica, dem Goldstandard der Nachschlagewerke.

Die "große Überraschung" an Wikipedia sei, dass "die absolute Offenheit und Transparenz sowie die massive Teamarbeit" die Nachteile im Vergleich zum traditionellen Lexikonverfahren ausgleichen könnten, sagt Gardner im AFP-Gespräch.

Die ehrenamtliche Mitarbeit von Millionen Nutzern macht es möglich, dass die Internet-Großmacht Wikipedia ein erstaunlich kleines Unternehmen geblieben ist. Etwa 50 bezahlte Angestellte arbeiten weltweit für Wikipedia, das Spendenziel von 16 Millionen Dollar für 2010 wurde erreicht. Die meisten Autoren sind unbezahlte Idealisten mit Mitteilungsbedürfnis. "Wikipedianer sind in der Regel sehr klug" sagt Gardner. "Viele wollen die Welt ein Stück verbessern. Und es gibt auch eine gewisse Tendenz, sich zu profilieren: Sie wissen viel und sind stolz darauf und zeigen der Welt durch ihre Beiträge, wie klug sie sind."

Das Potenzial für Expansion sieht Wikipedia längst noch nicht ausgeschöpft. Das Internet-Lexikon drängt nun in bevölkerungsreiche aufstrebende Entwicklungsländer, wo Fortschritte bei Bildung und Netzzugang den Hunger nach Information rasch wachsen lassen.

"Wir wollen unsere Energien nun strategisch auf die Entwicklungsländer konzentrieren", sagt Gardner. "Wir wissen, dass Leute massiv ins Internet strömen, besonders über Mobiltelefone." In Indien hat Wikipedia kürzlich sein erstes Büro außerhalb der USA eröffnet. Auch die chinesischsprachige Ausgabe wächst schnell, obwohl die Behörden der Volksrepublik den Zugang beschränken.