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Crowdfunding gegen Putins Lügen: Wie die Krautreporter ein russisches Magazin retten wollen

Crowdfunding gegen Putins Lügen: Wie die Krautreporter ein russisches Magazin retten wollen

Bei 10.000 Unterstützern kann die Meduza-Redaktion weitermachen, sagt Esser.

"Meduza ist die wichtigste unabhängige Stimme, die Putin noch nicht kleingekriegt hat. Ob es so bleibt, liegt jetzt an uns", sagt Krautreporter-Herausgeber Sebastian Esser. Die deutschen Krautreporter wollen das russische Magazin retten - und haben dafür in einer Hau-Ruck-Aktion ein Crowdfunding auf die Beine gestellt.

 

Krautreporter-Herausgeber Sebastian Esser berichtet in seinem Tagebuch:

 

"Am Vormittag meldet sich Rico Grimm (KR-Mitgründer) bei Leon Fryszer (Geschäftsführer) und mir (Herausgeber). Unser ehemaliger Autor Moritz Gathmann, inzwischen bei Cicero und in der Ukraine unterwegs, hatte Rico auf die verzweifelte Lage der unabhängigen Journalist:innen in Russland hingewiesen, speziell von Meduza. Das größte noch funktionierende unabhängige russische Medium sende Notrufe wegen seiner finanziellen Situation. "Ich glaube, schnelle Hilfe wäre jetzt gut", schreibt Moritz.


Seit Ausbruch des Krieges verbringen wir bei Krautreporter die Tage vor Twitter und verfolgen den Krieg in der Ukraine, hilflos und tatenlos. Die Aussicht, etwas zu tun, ist genau das, was wir als Redaktion brauchen. Wir haben einige Erfahrung mit solchen Situationen."


Esser erzählt danach detailliert, wie man in vier Tagen ein Crowdfunding organisiert hat. Die Zeit drängt.

 

"Unsere Kolleg:innen von der Nachrichtenseite Meduza brauchen Hilfe. Unterstützt Russlands größte unabhängige Redaktion, damit sie weiter berichten kann - und Russland die Wahrheit erfährt", schreibt die Krautreporter-Redaktion in ihrem aktuellen Aufruf Das kannst du jetzt gegen Putins Lügen tun.

 

"Millionen von Russen und Russinnen glauben immer noch, die Invasion der Ukraine sei eine militärische Spezialoperation - auch, weil sie falsch informiert werden. Wer als Journalist:in in Russland von einem Krieg spricht, kann bis zu 15 Jahre eingesperrt werden. Der Kreml tut alles in seiner Macht Stehende, um die Wahrheit über seinen Krieg gegen die Ukraine zu verbergen", heißt es dort.

 

Seit Jahren kämpft demnach die Internetzeitung Meduza gegen die Zensur des Kreml an. Nachdem Russland die Krim 2014 annektiert hatte, gründete sich das Magazin in Lettland, um unabhängig berichten zu können. Im vergangenen Jahr seien die Journalistinnen und Journalisten vom russischen Staat dafür öffentlich als "ausländische Agenten" gebrandmarkt worden. Doch sie hätten weiter berichtet. Und Millionen Russen würden täglich ihre Artikel lesen. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine könnten die russischen Leser ihr Magazin aber nicht mehr unterstützen. Das Geld von 30.000 Unterstützern sei von jetzt auf gleich weggebrochen - und das Team von Meduza hätte das Land verlassen müssen und sei nun über ganz Europa und Asien verstreut.

 

Nun wendet sich Meduza an alle Menschen in Europa und Nordamerika mit der Bitte um Hilfe. Durch ein Crowdfunding soll das fehlende Geld aus Russland ersetzt werden. Krautreporter unterstützt die Rettungskampagne, weil man wie Meduza für unabhängigen Journalismus einstehe:

 

"Millionen von Menschen in Russland brauchen Meduza als Informationsquelle. Sie müssen die Wahrheit erfahren. Putin führt auch einen Informationskrieg. Wir können dabei helfen, dass er ihn verliert. Deshalb: Wenn ihr irgendwie könnt - unterstützt die Kampagne von Meduza, werdet Mitglied und sorgt dafür, dass die unabhängige Redaktion nachhaltig finanziert wird", so der Aufruf. 


An diesem Dienstag meldet Sebastian Esser von den Krautreportern eine erste Erfolgsmeldung des Crowdfunding via Twitter: "1.000 Mitglieder aus dem Westen in den ersten 24 Stunden! Jetzt mitmachen."

 

Bei 10.000 Unterstützern kann die Meduza-Redaktion weitermachen, sagt Esser der Süddeutschen Zeitung. Das Ziel seien jedoch 30.000 Unterstützerinnen und Unterstützer.

 

Sebastian Esser hat sich zuletzt aus der operativen Führung der Plattform Steady zurückgezogen, die er mitgegründet hatte. "Nach sechs Jahren Aufbauarbeit und mehr als 20 Millionen Euro, die wir an unabhängige Medienmacherinnen und Medienmacher ausgeschüttet haben, ist es der richtige Zeitpunkt, mich den nächsten Projekten zuzuwenden", sagte Esser.

Er war einst Chefredakteur der Medienzeitschrift V.i.S.d.P. und gehörte als Politikredakteur zum Gründungsteam der deutschen Ausgabe von Vanity Fair.  2012 startete Esser Krautreporter als Crowdfunding-Plattform für Journalismus. 2014 gründete er - ebenfalls unter dem Namen Krautreporter - ein Online-Magazin, das durch die bis dahin größte deutsche Crowdfunding-Kampagne finanziert wurde.