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"Handelsblatt" plant Verfassungsbeschwerde gegen Thüringer Justiz

Weil die Thüringer Justiz ein Urteil unter Verschluss hält, prüft das "Handelsblatt" eine Verfassungsbeschwerde.

Düsseldorf - Laut Verfassungsrecht müssen Gerichte ihre Entscheidungen öffentlich machen. Das Landgericht Meiningen weigert sich seit Monaten, ein brisantes Strafurteil herauszugeben – und wurde jetzt auch noch darin bestätigt.

Die Richter in Weimar verweigerten dem "Handelsblatt" die Herausgabe eines Strafurteils gegen den früheren Thüringer Innenminister Christian Köckert (CDU). Weil Köckert wie auch die Staatsanwaltschaft in Revision gingen, ist das umstrittene Urteil nicht rechtskräftig. Eine Veröffentlichung könne den sachgemäßen Fortgang des Verfahrens gefährden, so die Begründung des Oberverwaltungsgerichts.

Das “Handelsblatt“ stritt monatelang mit dem Landgericht Meiningen um die Herausgabe des Köckert-Urteils. Das Landgericht hatte den Politiker im Januar 2014 wegen Vorteilsnahme als ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt Eisenach zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er soll vom Windparkbauer Juwi Geld angenommen und bei der Genehmigung eines Windparks nachgeholfen haben. Köckert und der ebenfalls angeklagte Juwi-Vorstand Matthias Willenbacher halten sich für unschuldig.

Das Meininger Verwaltungsgericht ordnete dem Landgericht Ende Februar an, dem “Handelsblatt“ zur Recherche eine anonymisierte und neutralisierte Fassung der Entscheidung zu erstellen. Gegen diesen Beschluss legten Landgerichtschef Martin Aulinger wie auch Christian Köckert, Matthias Willenbacher und die Juwi AG jedoch Beschwerde ein. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht kassierte daraufhin nun die Anordnung des Verwaltungsgerichts. Bei einer Veröffentlichung des Urteils bestehe die Gefahr, dass im weiteren Verlauf des Verfahrens Zeugen beeinflusst werden.

Die Entscheidung in Thüringen sorgt derweil für Aufregung, so titelte die „Thüringer Allgemeine“ am Donnerstag: “Thüringer Justiz hält Urteil gegen Ex-Minister unter Verschluss“. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Deutsche Journalisten-Verband kritisierten die Thüringer Gerichtsentscheidung als Einschränkung der Pressefreiheit.

Kampflos will die Rechercheeinheit rund um Sönke Iwersen, Chefredakteur Handelsblatt Live und Leiter Investigative Recherche, den Thüringer Entscheid nicht akzeptieren. Nach unseren Informationen prüft das “Handelsblatt“ eine Verfassungsbeschwerde. (B.Ü.)