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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

Neue Nachrichtenagentur in Mexiko will Indios eine Stimme geben

In den traditionellen Medien kommen die indigenen Völker Mexikos nur selten vor. Die Nachrichtenagentur Notimia will nun das Leben der rund 15 Millionen Indios in seiner ganzen Vielfalt beschreiben. Auch auf Náhuatl, Zapotekisch und Maya.

Mexiko-Stadt (dpa) − Die Mexikaner sind stolz auf ihre Tausende Jahre alte Kultur, auf die mächtigen Azteken und Mayas, auf die Ruinenstädte Teotihuacán und Chichén Itzá. In der öffentlichen Wahrnehmung kommen die Nachfahren der stolzen Indio-Völker allerdings kaum zu Wort. Politik, Wirtschaft und Kultur werden von dem Sprösslingen der europäischen Einwanderer dominiert.

 

Die neue Nachrichtenagentur Notimia will den indigenen Völkern Mexikos nun eine Stimme geben. „Indios kommen in den traditionellen Medien fast nicht vor. Und wenn doch, dann meist in einem negativen Zusammenhang oder als Klischee“, sagt Yalina Ruiz. Gemeinsam mit etwa zehn Kolleginnen hat die 28-Jährige die Nachrichtenagentur für indigene und afrikanischstämmige Frauen gegründet.

 

„Wir wollen in unseren Texten die ganze Vielfalt indigenen Lebens in Mexiko darstellen: Gastronomie, Handwerk, Traditionen, tägliches Leben, aber auch Gewalt und Unterdrückung“, sagt Ruiz. „Wir sind eine Nachrichtenagentur von Indios für Indios. Außerdem wollen wir ein differenziertes Bild der indigenen Gemeinschaften in den traditionellen Medien zeichnen.“

 

Mit elf Reporterinnen berichtete Notimia zuletzt vom Forum der Vereinten Nationen zu Indigenen Fragen in New York. Dort knüpften sie auch Kontakte zu indigenen Journalisten und Aktivisten aus der ganzen Welt. „In Mexiko haben wir 300 freie Mitarbeiterinnen“, sagt Isabel Flota Ayala. „Außerdem kooperieren wir mit ähnlichen Initiativen in Guatemala, Nicaragua und Kolumbien.“

 

Die Gründung von Notimia geht auf eine Initiative der Allianz indigener Frauen in Mesoamerika und Mexiko zurück. Der harte Gründungskern besteht aus ausgebildeten Journalistinnen und Kommunikationswissenschaftlerinnen. Die freien Mitarbeiter in den Dörfern hingegen müssen noch geschult werden. „Sie sind vielleicht keine Profis, aber sie haben einen einzigartigen Zugang zu den indigenen Gemeinschaften“, sagt Ruiz.

Sie stammt aus einer zapotekischen Familie aus der Sierra Norte des Bundesstaats Oaxaca. Ihre Mutter hat dort ein Radioprogramm zur Pflege der Sprachvariante Dill Xhon ins Leben gerufen und ein Buch über die Hochzeitsrituale der Region geschrieben. „Wir dürfen unsere Traditionen, unsere Sprache nicht verlieren“, sagt Ruiz. Sie selbst ist in Mexiko-Stadt aufgewachsen, jetzt lernt sie Zapotekisch.

 

Zunächst schreiben die Journalistinnen von Notimia ihre Meldungen, Berichte und Reportagen auf Spanisch. Später wollen sie die Texte aber auch in indigenen Sprachen veröffentlichen. „Wir haben Kolleginnen in unseren Reihen, die Náhuatl, Zapotekisch, Mixtekisch, Tzotzil und Maya sprechen“, sagt Flota.

 

In Mexiko gibt es 68 indigene Sprachen. Allerdings sind viele Sprachvarianten vom Aussterben bedroht. Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern mit einer großen linguistischen Vielfalt wie Peru verschwinden wegen der Dominanz des Spanischen, Diskriminierung und Migration immer mehr Indio-Sprachen.

 

Es gibt aber auch Gegenbewegungen. In einigen Ländern mit starken indigenen Einflüssen werden mittlerweile TV- und Radiosendungen in Indio-Sprachen ausgestrahlt. In Bolivien, wo seit 2006 der Aymara Evo Morales als erster indigener Präsident das Land regiert, müssen seit 2015 alle Staatsbeamte mindestens eine der insgesamt 32 von der Verfassung anerkannten Sprachen zu erlernen. Seit 2016 kann man sogar den „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry in Aymara lesen.

 

Auch Notimia will nun zu einer Renaissance der Indio-Sprachen in Mexiko beitragen. Und gleichzeitig mit Vorurteilen aufräumen. „Indigene gelten oft als arm, unkultiviert, ungebildet“, sagt Ruiz. „Dabei haben sie nur andere Werte, ein anderes Verständnis von Gemeinschaft, der Umwelt, der Zyklen der Natur. Wir wollen die Wahrnehmung ändern.“

Notimia hat bereits eine Reportage über die traditionelle Textilproduktion in der Ortschaft Naupan in Puebla veröffentlicht, Ruiz arbeitet an einer Geschichte über das Sterben der Sprache Dill Xhon in der Heimatregion ihrer Eltern.

 

Derzeit arbeiten die Journalistinnen noch ehrenamtlich. Mittelfristig wollen sie mit ihren Texten aber Geld verdienen. „Wir werden jetzt eine Reihe von Texten produzieren und sie dann auch den etablierten Zeitungen, Magazinen und Online-Plattformen anbieten“, sagt Flota.

 

Als ganz unabhängige Beobachter sehen sich die Journalistinnen indes nicht, eher als Aktivistinnen mit Kamera und Notizblock. „Die Gründung der Agentur ist ein Akt des Widerstands, der Identität, des Sichtbarmachens“, sagt Flota.

 

Von Denis Düttmann, dpa