Pressefreiheit
dpa

Reporter ohne Grenzen: Pressefreiheit auch in Demokratien unter Druck

Der Spielraum für Journalisten wird weltweit immer enger. Nicht nur autoritäre Regierungen und Diktatoren setzen der Pressefreiheit zu − auch demokratisch gewählte Politiker bringen Medien in Bedrängnis.

Berlin (dpa) − Die Lage für Journalisten und unabhängige Medien wird nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) prekärer. In autoritär geführten Staaten und Diktaturen sei der Umgang mit den Medien nach wie vor von Zensur und Verfolgung gezeichnet. Aber auch in demokratischen Ländern stehe die Presse unter zunehmendem Druck, wie aus der am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit hervorgeht. In den USA, inPolen oder Großbritannien äußerten Politiker öffentlich ihre Geringschätzung für Journalisten.

 

Zu den Verlierern in der Rangliste gehört die Türkei, die im vergangenen Jahr im Zuge einer Repressionswelle nach dem Putschversuch um vier Plätze abrutschte. Sie belegt jetzt Platz 155.

Deutschland hat sich auf Platz 16 in der kleinen Gruppe jener Länder behauptet, in denen ROG die Lage als gut einstuft. Dazu zählen an der Spitze von Platz eins bis sechs Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, die Niederlande und Costa Rica. Doch auch in Deutschland geraten laut ROG Medienschaffende wegen ihrer Arbeit ins Visier der Behörden oder der Geheimdienste.

In knapp zwei Drittel der 180 untersuchten Länder hat sich die Situation verschlechtert. Dazu habe die Entwicklung in demokratischen Ländern beigetragen. Immer wieder griffen Politiker Journalisten an, hieß es, und Regierungen bauten die Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste aus und bedrohten Whistleblower.

Verschlechtert habe sich die Lage der Pressefreiheit etwa in Ungarn. Unter der Regierung von Viktor Orban fiel das Land um vier Ränge auf Platz 71 zurück. Polen rutschte unter der rechtskonservativen Regierung sieben Plätze ab und steht nun auf Platz 54. „Besonders erschreckend ist, dass auch Demokratien immer stärker unabhängige Medien und Journalisten einschränken, anstatt die Pressefreiheit als Grundwert hochzuhalten“, erklärte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Zu den Schlusslichtern zählen Kuba, Sudan, Vietnam, China, Syrien, Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea an letzter Stelle auf Platz 180.

Aber auch in den USA − um zwei Plätze auf Rang 43 verschlechter − habe die juristische Verfolgung von Investigativjournalisten und Whistleblowern besorgniserregende Ausmaße angenommen. Immer wieder würden Journalisten vor Gericht gestellt. US-Präsident Donald Trump distanziere sich mit seinen systematischen Verunglimpfungen kritischer Medien von der langen Tradition der USA als Hüterin der Pressefreiheit.

Auch das in den USA ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) berichtet über neue Formen der Manipulation: Während beim sogenannten „Arabischen Frühling“ soziale Netzwerke im Internet noch wichtige Instrumente zur politischen Mobilisierung gewesen seien, setzten Regierungen sie heute immer mehr zur Beeinflussung ein, hatte CPJ am Dienstag erklärt. Länder wie Russland, China und Mexiko hätten „ganze Armeen von Propagandakünstlern“, um Online-Debatten zu steuern.

Die ROG-Rangliste versucht, den Grad der Freiheit wiederzugeben, die Journalisten, Blogger und Medien in 180 Ländern haben. Ihre Grundlage ist ein Fragebogen zu unabhängiger journalistischer Arbeit, den Reporter ohne Grenzen in 20 Sprachen an Journalisten, Wissenschaftler, Juristen und Menschenrechtsverteidiger weltweit verschickt. Das neue Ranking bezieht sich auf das Jahr 2016.