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Türkischer Staatsanwalt: Journalist Khashoggi wurde erwürgt

Erwürgt, die Leiche zerstückelt und beiseite geschafft: Einen Monat nach dem Tod des saudischen Journalisten Khashoggi veröffentlichen die türkischen Ermittler Details über den Mord. Aber viele Fragen bleiben noch offen.

Istanbul (dpa) − Der saudische Regierungskritiker Jamal Khashoggi ist nach Erkenntnissen der türkischen Justiz schon kurz nach Betreten des Konsulats seines Landes vor einem Monat erwürgt worden. Dies sei „gemäß eines zuvor gemachten Plans“ geschehen, heißt es in einer am Mittwoch von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu verbreiteten Erklärung der Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft. Anschließend sei sein Leichnam „in Stücke zerteilt“ und dann „vernichtet“ worden. Es ist die erste offizielle Äußerung der Ermittler in dem Fall, der weltweit Aufsehen erregt.

Die Behörde berief sich auf „vorliegende Beweise im Rahmen der laufenden Ermittlungen“, nannte die Beweise aber nicht. Auch zur Frage, wer den Mord im saudischen Konsulat in Istanbul in Auftrag gegeben haben könnte, machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben. Vorwürfe, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman in den Tod Khashoggis verwickelt sein könnte, weist Riad zurück. Ein der türkischen Regierung nahe stehender Journalist behauptete am Mittwochabend jedoch, den türkischen Ermittlern lägen Beweise vor, die Salman erheblich belasteten.

Khashoggi war am 2. Oktober in das Konsulat des Königreichs in Istanbul gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit mit einer Türkin abzuholen. Danach tauchte der Journalist nicht mehr auf. Riad hatte erst nach Wochen und massivem internationalen Druck eingeräumt, dass der 59-Jährige im Konsulat getötet wurde. Zunächst hatte es geheißen, Khashoggi sei versehentlich bei einer Schlägerei ums Leben gekommen.

18 Verdächtige wurden in Saudi-Arabien festgenommen, darunter nach türkischen Angaben ein Killer-Kommando, das eigens aus dem Wüstenstaat angereist sei, um Khashoggi zu töten. Die Türkei verlangt die Auslieferung der 18 Verdächtigen. Riad lehnt das ab.

US-Präsident Donald Trump hat im Fall Khashoggi bislang einen Zick-Zack-Kurs hingelegt und einen Bruch mit Saudi-Arabien vermieden. Nach der Veröffentlichung der türkischen Ermittlungsergebnisse sagte er auf die Frage eines Journalisten, er fühle sich nicht von Riad betrogen. „Wir müssen sehen wie sich alles entwickelt“, sagte er weiter. Die Vereinigten Staaten sind in den Fall involviert, weil Khashoggi zuletzt im US-Exil lebte und dort auch für die „Washington Post“ schrieb.

In ihrer Erklärung präzisierte die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft nicht, was genau mit der Leiche geschah. Sie erklärte lediglich, dass man den saudischen Generalstaatsanwalt Saud al-Mudschib während seines mehrtägigen Besuchs in Istanbul nach dem Verbleib des Leichnams gefragt habe. Außerdem habe man die saudischen Behörden nach der Identität eines etwaigen türkischen Mittäters gefragt. Allerdings habe das Treffen mit dem saudischen Generalstaatsanwalt „keine klaren Ergebnisse“ gebracht.

Der türkische Generalstaatsanwalt Irfan Fidan erklärte zudem, er und sein Team seien nach Saudi-Arabien eingeladen worden. Im Laufe der Ermittlungen hatten türkische Spezialisten das saudische Konsulat im Istanbuler Viertel Levent und die Residenz des Konsuls durchsucht. Zu den Ergebnissen der Durchsuchung äußerten sich die Behörden jedoch auch in der am Mittwoch veröffentlichten Erklärung nicht.

Ermittlungsergebnisse waren bislang vor allem über türkische oder US-Medien gestreut geworden. Vor allem die regierungsnahe türkische Zeitung „Yeni Safak“ veröffentlichte häppchenweise Details über die Tötung Khashoggis. Unter anderem beriefen sich die Medien auf Tonaufnahmen, die den türkischen Ermittlern vorliegen sollen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Tod Khashoggis vergangene Woche zwar einen „geplanten“ und „politischen“ Mord genannt, war aber nicht darauf eingegangen, wie Khashoggi genau getötet wurde und erwähnte auch die Tonaufnahmen nicht. US-Medienberichten zufolge ließ die türkische Regierung der CIA-Direktorin Gina Haspel vergangene Woche bei einem Besuch in Ankara Audioaufnahmen von der Tötung Khashoggis vorspielen.

„Yeni Safak“-Journalist Ibrahim Karagül lenkte indessen den Verdacht wieder auf den saudischen Kronprinzen Salman − und berief sich erneut auf die angeblichen Audioaufnahmen. Diese hätten „die Macht, Kronprinz Mohammed bin Salman zu erledigen“, twitterte Karagül am Mittwochabend. Salman habe der Türkei und der Region „großes Übel“ angetan.

Die Türkei und Saudi-Arabien sind Rivalen in der Region. Die Türkei unterstützt etwa das mit Riad verfeindete Emirat Katar. Außerdem steht die türkische Führung den Muslimbrüdern nahe, die Saudi-Arabien wiederum bekämpft.

 

Von Mirjam Schmitt, dpa