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Birgit Dengel über ihre Zeit bei der "Financial Times Deutschland“ und das Brennen für gute Geschichten

„Acht Jahre habe ich für die Financial Times Deutschland gearbeitet. Es war für mich der erste feste Job nach Studium und Ausbildung an der Journalistenschule“, erinnert sich Birgit Dengel für NEWSROOM an ihre Zeit bei der „Financial Times Deutschland“ zurück.

 

 

Düsseldorf - Steffen Klusmann und seinen Kollegen bin ich immer noch sehr dankbar dafür, dass sie mir damals die Chance gegeben haben, zu zeigen, was ich kann. Das war alles andere als selbstverständlich um das Jahr 2004, als die Dotcom-Blase geplatzt war und viele Wirtschaftsjournalisten Arbeit suchten. Als ich anfing bei der FTD, waren die opulenten Gründungsjahre schon vorbei. Von den sehr hohen Gehältern und den Blattgold-Desserts auf den Weihnachtsfeiern habe ich nur durch andere gehört. Erlebt habe ich vielmehr eine Redaktion, die permanent sparen musste. Doch trotz knapper Kasse ist es der FTD gelungen, tagtäglich ein erstklassiges Produkt abzuliefern. Darauf können alle, die dabei waren, stolz sein.

Es war uns immer klar, dass wir journalistisch nicht rütteln dürfen an dem Anspruch, erste Liga zu spielen. Wir mögen uns in die überfüllte zweite Klasse der Bahn gequetscht haben, wenn die Kollegen der anderen Zeitungen erste fuhren. Wir mögen das günstigste Hotel genommen haben oder während einer Messe bei Freunden auf dem Sofa übernachtet haben. Wir haben akzeptiert, dass wir weniger verdienen als die anderen. Wir haben es sogar geschafft, lange Zeit ohne Blackberrys auszukommen. Als ich Anfang 2012 die Redaktion verlassen habe, hatte der Verlag längst noch nicht jeden Redakteur mit einem Smartphone ausgestattet.

 

Birgit Dengel.

 

Dennoch ist die journalistische Arbeit der FTD wegweisend gewesen für die gesamte Zeitungsbranche: Ihre exklusiven Geschichten, die Scoops, sind unzählig von anderen Medien nacherzählt worden. Ihren Kontextparagraph, den zweiten, einordnenden Absatz eines Nachrichtentextes, findet man heute bei etlichen anderen Blättern. Die FTD-Bildsprache, etwa die lebhaften Interviewbilder, ist mittlerweile selbstverständlich für viele geworden. So wenig Geld auch da war, so wenige Beschränkungen gab es für Kreativität, ambitionierte Recherchen oder abwegige Themenansätze.

Exzellent ist die Financial Times Deutschland gewesen vor allem aufgrund des Teams, das sie gemacht hat. Unvergesslich etwa die Reportagen von Lorenz Wagner oder Jarka Kubsova, die Überschriften von Stefan Weigel oder Christian Baulig, die Scoops von Angela Maier, Herbert Fromme oder Lutz Meier, die Haltung in den Geschichten von Kirsten Bialdiga oder Klaus Max Smolka, der Witz bei Horst von Buttlar oder Tillmann Prüfer, das Themengespür von Claus Gorgs oder Jörn Paterak oder oder oder. Es sind zu viele, um sie hier alle zu nennen.

Wer Ideen und Leidenschaft besitzt, hat sich bei der FTD ausprobieren können. Es war egal, wie alt ein Redakteur war, ob er viel Erfahrung mitbrachte oder sich als Wirtschaftsjournalist besonders seriös kleidete. Es ging nur um die Sache, um das Brennen für gute Geschichten. Das hat uns Chefredakteur Steffen Klusmann jeden Tag vorgelebt.

Es war auch egal, ob jemand männlich oder weiblich war. Ich halte es nicht für einen Zufall, dass bei der FTD von Anfang an sehr viele Frauen in der Redaktion gearbeitet haben. Als die FTD gegründet wurde, blieb dem ersten Chefredakteur Andrew Gowers mitunter keine andere Wahl, wichtige Aufgaben an Journalistinnen zu vergeben. Die Journalisten, die schon anderswo etabliert waren, ließen sich schwerer von dem Wagnis einer neuen Zeitungsredaktion überzeugen. Da blieben manchmal nur die Frauen. Sie müssen ihre Arbeit gut gemacht haben. So gut, dass es eine Debatte um männlich oder weiblich kaum gab. Später waren etwa im Unternehmensressort, Team Industrie/Dienstleistungen, einem absoluten Kernbereich der FTD, sieben von acht Redakteuren weiblich. Aufgefallen ist das allerdings kaum jemandem, den Lesern schon gar nicht. Schlicht, weil die FTD mit Inhalten überzeugt hat.

Allerdings hat die Redaktion manchmal wohl versäumt, Werbung in eigener Sache zu machen. So haben die FTD-Leser ihre Zeitung zwar geliebt und geschätzt. Aber wer die FTD nicht kannte, der ist leider auch kaum neugierig auf sie gewesen.

Die FTD wird mir unendlich fehlen. Es ist ein schreckliches Gefühl, sie nicht mehr an ihrem Platz am Baumwall in Hamburg zu wissen. Es ist traurig, dass ich auf die Inspirationen in ihren Texten künftig verzichten muss. Den FTD-Mitarbeitern wünsche ich für die Zukunft alles erdenklich Gute. Sie haben es verdient.

Birgit Dengel leitet die Kommunikationsabteilung der Strategieberatung SMP AG in Düsseldorf. Von 2005 bis 2012 hat sie als Unternehmensredakteurin bei der „Financial Times Deutschland“ und deren Schwesterblatt „Capital“ gearbeitet, 2004 war sie freie Mitarbeiterin der FTD.

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