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"Westfälische Rundschau": Heute letzter Tag für Redaktionen - Samstag "Trauermarsch" in Dortmund

Heute ist der letzte Tag, an dem eine eigene Redaktion für die "Westfälische Rundschau" und ihre Lokalausgaben in Dortmund, Schwerte, Plettenberg, Unna oder Lünen schreibt, fotografiert, kommentiert und mit Lesern spricht. Ab Freitag lässt die WAZ-Mediengruppe, Mehrheitseigentümer der WR, die Zeitung mehrheitlich konzernfremd erstellen.

Dortmund - Der Kampf der vergangenen Tage und Wochen hat für Aufmerksamkeit gesorgt - aber nicht für so viel, als dass die Eigentümerfamilien ihre Meinung über die Einstellung der WR-Redaktion geändert hätten. Was ansteht, was passiert, was andere sagen - eine Übersicht. Und wie oder ob sich die Redaktionen auch auf den Lokalseiten von "ihren" Leserinnen und Lesern verabschieden wird, zeigen die morgigen Ausgaben der früher sozialdemokratischen Tageszeitung.

Zu einer Trauerfeier bitten die Journalistengewerkschaften DJV-NRW und dju in ver.di an diesem Samstag, 2. Februar, nach Dortmund. Die Trauerfeier mit Kranzniederlegung beginnt um 11 Uhr vor dem Haus der ehemaligen Westfälischen Rundschau am Brüderweg 9. Der Trauerzug führt im Anschluss daran zu den Dortmunder Ruhr-Nachrichten am Petri-Kirchplatz und von dort aus zur Kundgebung auf dem Alten Markt. "Wir bitten dem Anlass entsprechend um Trauerbekleidung", schreiben die Gewerkschaften.

Zu einem "Trauerempfang" bittet heute Abend "WR"-Chefredakteur Malte Hinz seine "Noch"-Redakteure. Im Dortmunder Rundschau-Haus wollen sich einige Mitarbeiter am letzten Tag treffen. Im "Schalander" in Unna können WR-Mitarbeiter selbstorganisiert noch einmal zusammenkommen, mit Freunden, Lesern und Gewerkschaftern sich treffen. Die Kneipe befindet sich im Kulturzentrum Lindenbrauerei, Rio-Reiser-Weg 1.

Wie Jens Matheuszik, einer der Blogger der ersten Stunde in Nordrhein-Westfalen, auf dem Pottblog berichtet, werden die lokalen Artikel der "Ruhr-Nachrichten", die unter anderem in Dortmund den Lokalteil liefert, auch im Webportal "DerWesten" veröffentlicht. Dafür gibt es laut Pottblog auch bereits eine automatisierte Möglichkeit, die Artikel zu importieren.

Einen sehr emotionalen Brief hat Lilo Bünte, Ehefrau des früheren Chefredakteurs der "Westfälischen Rundschau" Frank Bünte, an die WR-Belegschaft verteilen lassen. Der Brief liegt NEWSROOM vor. Wir dokumentieren in leicht gekürzter Form: "Wahrscheinlich ist heute Ihr letzter Arbeitstag bei der WR, und ich kann mir vorstellen, wie Ihnen und allen Mitarbeitern in der Redaktion zumute ist: zwischen Wehmut, Ratlosigkeit und Wut vermutlich jedes Register.

Ich kann von mir sagen, dass es mir ausgesprochen schlecht geht, wenn ich an die bevorstehende Warenunterschiebung denke: die gefälschte Rundschau! Meine Solidarität gilt den Redaktionen und der Meinungsvielfalt. Ich wünsche Ihnen allen für die Zukunft brauchbare Perspektiven und für den heutigen Tag, d. 31. Januar 2013, viel Kraft und Mut, diesen schweren Tag zu gestalten und zu überstehen.

Ich hätte gern einen scharfen Leserbrief bezüglich der Machenschaften des Verlages geschrieben. Aber ich sehe ja bei der Lektüre der Zeitung, dass eine Zensur stattfindet und Leserbriefe, Kommentare und Berichte in dieser für die Zeitung und ihre Redakteure so bedrohlichen Situation nicht veröffentlicht werden (dürfen).

Ich drücke Ihnen allen den Daumen, dass Sie einen guten Weg finden, die Leser über den Wandel zu informieren und sich von ihnen  zu „verabschieden“. Ich denke nämlich, dass die Redaktionen in dieser Abschiedsstunde der Tradition der Rundschau und den Lesern mehr verpflichtet sind als dem Maulkorb, der offensichtlich allen verpasst worden ist."

Dass in naher Zukunft kein Verlag eine neue Tageszeitung in Dortmund herausbringen wird, scheint angesichts der schwierigen Zeitungslage in Deutschland festzustehen. Konkurrenz für die etablierten Verlage wie Lensing-Wolff als einziger Verlag mit eigener Tageszeitung vor Ort könnte aber aus dem Internet kommen - und zwar von dem etablierten Internet-Angebot "Ruhrbarone" (Motto: "Journalisten bloggen das Revier"). In einem Kommentar bei den "Ruhrbaronen" schreibt Stefan Laurin, verantwortlich für das erfolgreiche Ruhrgebiets-Blog: "Wir denken über einen Lokalteil-Dortmund nach, aber das ist alles nicht ganz so einfach: Der Teil müsste separat laufen, wir brauchen neue Autoren aus Dortmund und eine Erweiterung des Projekts Ruhrbarone würde sich auch auf das ganze Blog auswirken. Können wir das stemmen? Aber Deine Idee ist spannend und reizvoll."

Bülend Ürük