Radio
dpa - Mona Wenisch, Thomas Frey

Eine Brücke in die Heimat − der Soldatensender Radio Andernach

Das Bundeswehrradio soll Soldatinnen und Soldaten im Einsatz informieren und unterhalten. Vor allem aber ist es eine Verbindung in die Heimat. 2024 hat der Sender seinen 50. Geburtstag.

Mayen (dpa) − Die Stimme von Melina Hannig hallt um die Welt. Sie grüßte schon Soldatinnen und Soldaten in Mali, auf Zypern oder auch im Kosovo. Hannig ist Moderatorin bei Radio Andernach, einem Sender für und von deutschen Soldaten und Soldatinnen − und während der Einsätze oft eine wichtige Verbindung in die weit entfernte Heimat. 

 

Die Worte, die Oberleutnant Hannig im Studio im rheinland-pfälzischen Mayen in ihr Mikrofon spricht, sind für Menschen auf der ganzen Welt bestimmt. Das Radio unterhält und informiert die Einsatzkräfte − auch über spezielle Bundeswehrthemen. „Von den aktuellen Haushaltsdebatten über „Was hat Pistorius im ZDF gesagt?“, bis hin zu „Welche Übung findet gerade irgendwie statt, welche Einsätze werden aufgebaut, welche Einsätze werden verlassen?“, sagt sie. «Da ist wirklich ein Potpourri an ganz vielen Themen, die wir da so aufgreifen.“

 

Seit bald 50 Jahren gibt es das Radio, 1974 ist es entstanden. „Die Bundeswehr hatte damals eine Truppe für psychologische Verteidigung und die hatte Radioelemente“, erklärt Bernd Sölter, Leiter des Dezernats Betreuungsmedien und Programmchef. „Die waren damals dafür gedacht, Radioprodukte zu machen für NVA-Soldaten.“ NVA steht für Nationale Volksarmee, die Streitkräfte der DDR. Wäre es zu einem bewaffneten Konflikt mit der DDR gekommen, hätte das Radioprogramm die Soldaten der Gegenseite möglichst zum Aufgeben bewegen sollen.

 

Um in Übung zu bleiben, habe es dann Radioproduktionen gegeben. „Man hat damals noch mit Kassetten gearbeitet, bevor dann die CD erfunden wurde“, sagt Sölter. Anfang der 1990er Jahre habe das Radio mit dem Somalia-Einsatz eine erhöhte Nachfrage erlebt, im ostafrikanischen Land seien aus dem Zeltlager heraus Radioprogramme gemacht worden. Das sei die Geburtsstunde der Einsatzredaktion gewesen. „Dass sie also im Camp von Soldaten für Soldaten Radio gemacht haben.“

 

In erster Linie sei es ein Betreuungsradio, sagt Sölter. „Unser Programm ist auf die Bedürfnisse der Soldaten zugeschnitten.“ Eines davon sei der Kontakt zu den Angehörigen zuhause. „Wir versuchen da immer, so eine Art Brücke zu sein. Das hat auch große Tradition.“

 

Eine wichtige Rolle spielen beim Radio Andernach deshalb Grüße, die über das Programm versendet werden. „Der Klassiker ist natürlich der Geburtstagsgruß, wenn man im Einsatz ist“, sagt Henry Brandt, der in der Betreuungsredaktion des Radios arbeitet und dort für die Grüße zuständig ist. „Die Grußbotschaften von Kindern, Lebenspartnern, Eltern oder Freunden sind ein Kernelement des Programms und für die Soldatinnen und Soldaten sehr wichtig und oft emotional ergreifend − über das ganze Jahr hinweg, aber natürlich besonders über die Feiertage und den Jahreswechsel“, teilt ein Sprecher Bundesverteidigungsministeriums mit. Es biete der Bundesregierung auch die Möglichkeit, direkt Grüße und Dank an die Bundeswehrangehörigen im Einsatz oder auf hoher See auszurichten.

 

Per App, Fax, Post, Telefon oder E-Mail − rund 1500 Grüße erreichen das Radio jedes Jahr. „Hochzeiten sind natürlich Weihnachten mit ungefähr 200 Grüßen, oder aber auch Valentinstag, da sind auch so 100 Grüße mit dabei“, sagt Brandt. „Weihnachten ist natürlich eine besondere Zeit, Weihnachten ist das Fest der Liebe. Und da getrennt von seinen Liebsten zu sein, ist natürlich eine sehr emotionale Geschichte.“

 

Der für ihn schönste Gruß sei aber ein On-Air-Heiratsantrag gewesen. „Sie hat auch Ja gesagt“, sagt Brandt. „Es war sehr emotional, weil er im Einsatz war und sie zuhause und sie damit überhaupt nicht gerechnet hat.“ Eine andere Frau habe ihren Mann während seines Einsatzes jeden Freitag gegrüßt. „Das waren 22 Wochen, 22 Grüße. Sie hat wirklich jeden Freitag ein Update von zuhause gegeben.“

 

So ein Gruß sei etwas Besonderes, weil oft der gesamte Kameradenkreis mithöre. Als er selbst im Kosovo gewesen sei, habe er einen Mann getroffen, der seinen Gruß verpasst habe und ihn noch einmal hören wollte, erinnert sich Brandt. „Und da waren die ersten Worte seiner kleinen Tochter drauf, die gesagt hat „Papa, ich liebe dich.“

 

Neben den Grüßen gibt es noch andere Kleinigkeiten, die das Radio von kommerziellen Sendern unterscheiden. Die Zielgruppe ist mit Menschen zwischen Anfang 20 bis Ende 50 sehr groß, wie Dennis Schuhböck aus der Musikredaktion weiß. Alle unter einen Hut zu kriegen, ist dabei nicht immer einfach. Aber: „Im Einsatz wird sehr viel Schlager gehört.“

 

Wie im klassischen Radio sendet auch Radio Andernach Servicethemen, Nachrichten und Wetter. „Bei uns ist es das Einsatzwetter. Das heißt, nach den Nachrichten schauen wir mal, wie sieht es in Mali aus, wie sieht es in Limassol aus, wie sieht es vielleicht in Rukla aus“, sagt Moderatorin Hannig. „Damit die Kameraden, die im Einsatz sind, sich so ein bisschen drauf einstellen können: Muss ich heute Abend eine dicke Jacke anziehen oder vielleicht einen Regenschirm mitnehmen?“

 

Außerdem könne das Radio bundeswehrspezifische Themen genau beleuchten, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. „Bei der Programmgestaltung kann Radio Andernach auch Themen aufgreifen, die in anderen Medien weniger Berücksichtigung finden.“ So könnten sich zum Beispiel die Soldatinnen und Soldaten im litauischen Rukla über die Aufstellung der „Brigade Litauen“ informieren.

 

Hannig selbst hat auf einer Dienstreise schon Soldatinnen und Soldaten im Kosovo begleitet. Es sei für die Redaktion wichtig, auch den Kontakt in die Einsatzgebiete zu halten. „Wir können natürlich hier in Mayen sitzen und viel erzählen, aber schöner ist es natürlich, wenn wir vor Ort sind und so ein bisschen ein Gespür dafür bekommen: Wie geht es den Soldaten im Einsatz, was beschäftigt die?“