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Niederländische TV-Organspendershow erhitzt die Gemüter

«Diese Sendung ist das makabere Spiel um menschliche Not einer moralisch völlig verkommenen Medienproduzenten», erklärte unter anderen Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer.

Hamburg (dpa) - Unter heftiger Kritik aus dem In- und Ausland sollte am Freitagabend um 20.30 Uhr auf dem holländischen Fernsehkanal BNN die «Big Donor Show» starten. In der Sendung wollte sich die 37-jährige, an einem Hirntumor erkrankte Lisa entscheiden, welcher von drei Kandidaten nach ihrem Tod eine Niere von ihr erhält. Niederländische Politiker hatten im Vorfeld über das Thema gestritten, deutsche Verbände lehnten die Show ab.

BNN-Chef Laurens Drillich räumte ein, dass seine Sendung «geschmacklos» und moralisch fragwürdig sei, «aber der enorme Spendermangel in Holland ist noch geschmackloser». Produzent ist die Firma Endemol, die auch die Containersendung «Big Brother» entwickelt hat. BNN-Gründer Bart de Graaf erhielt selbst 1998 eine neue Niere und starb vor fünf Jahren. Drillich lud zur Show Gesundheitsminister Ab Klink ein. Um sein Erscheinen herrschte bis kurz vor der Ausstrahlung Rätselraten.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, kritisierte die Spendershow. «Diese Sendung ist das makabere Spiel um menschliche Not einer moralisch völlig verkommenen Medienproduzenten», erklärte Hoppe in Berlin. «Inszeniertes Leid und Voyeurismus werden in einer Organshow dargeboten, die durch Menschenverachtung die Quote steigern soll. Wir brauchen dringend einen europäischen Wertekonsens, der diese unwürdige Zurschaustellung menschlichen Elends unterbindet.»

Auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz -und Gefäßchirurgie (DGTHG) verurteilten die Sendung. Die DGTHG forderte verstärkte Aufklärung, um über den Sinn der Organspende zu informieren. Schmidt sagte: «Ich halte das für makaber und auch für eine wirkliche Missachtung der Würde eines Kranken.» Weiter erklärte die SPD-Politikerin: «Hier wird immerhin mit Leben und Tod gehandelt - und noch in einer Fernsehshow vermarktet. Hier geht es um Geld und nicht, wie vorgegeben wird, um Werben für Organspenden.»

An diesem Samstag (2. Juni) ist der bundesweite Tag der Organspende. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 4000 Organe verpflanzt - so viele wie nie zuvor. Zur Zeit spenden 15 Menschen pro einer Million Einwohner Organe. Die Bereitschaft hat damit im Vergleich zu 1997 um ein Viertel zugenommen. Aus Sicht der Ärzte und ihrer Patienten liegt sie aber noch nicht hoch genug. Deutschlandweit warten nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation rund 12.000 Menschen auf ein neues Organ. Täglich sterben jedoch drei von ihnen, weil es nicht genügend Spenderorgane gibt. In Holland warteten im März dieses Jahres 1068 Patienten auf eine Niere; im Jahresdurchschnitt spenden etwa 200 Niederländer ihre Nieren nach dem Tode.

Im Vorfeld der umstrittenen Fernsehsendung hatte Politiker Joop Atsma von den holländischen Christdemokraten einen Stopp der Show gefordert. Bildungsminister Ronald Plasterk von der Arbeitspartei verwies im Gegenzug auf die Pressefreiheit. In Deutschland wäre eine Spendershow nach Einschätzung der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) nicht möglich. «Da die Spenderin krebskrank ist, geht die Organspende schon aus medizinischen Gründen nicht», sagte der medizinische Vorstand der DSO, Günter Kirste.

Außerdem sei es nach deutschem Recht unzulässig, Fremde gezielt als Empfänger eines Organs auszuwählen. Jeder müsse die gleichen Chancen haben. «Das kann nicht über eine Fernsehshow gehen.»

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