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Bertelsmann kämpft mit reifen Märkten - US-Clubs abgestoßen

Im Gegensatz zum abgestoßenen Nordamerika-Geschäft ist die Trennung von den europäischen Club-Aktivitäten dagegen noch längst nicht beschlossen, versichern Bertelsmann-Manager.

Gütersloh (dpa) - Ein halbes Jahr ist der neue Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski im Amt. Und im Gebälk des Gütersloher Medienkonzerns knarrt es lauter, als Ostrowskis Antrittsrede im vergangenen Dezember zunächst hätte erwarten lassen. Mit den Buchclubs und der Musiksparte stehen gleich zwei von sechs Säulen des bisher noch größten europäischen Medienkonzerns zur Disposition. «Aus Lämmern werden in den seltensten Fällen Löwen», hatte Ostrowski noch im Dezember vieldeutig orakelt und auch unbequeme Entscheidungen angekündigt. «Die Strategie ist ausgegeben, jetzt wird sie exekutiert», heißt es in Gütersloh.

Die beiden Sorgenkinder unter den sechs Konzernsparten, Buchclubs und Musik, waren schnell als «Lämmer» ausgeguckt. Für die Musik muss Finanzvorstand Thomas Rabe mit dem Joint-Venture-Partner Sony ein Konzept entwickeln, wie es in der sich nur langsam erholenden und von illegalen Downloads und Produktpiraterie geschwächten Branche weitergehen soll. Eine Entscheidung darüber, ob Bertelsmann Anteile von Sony kauft oder andersherum, wird schon bald erwartet. «Alles ist eine Frage des Preises», sagt der ehemalige Rockmusiker Rabe.

Das dürfte auch für die Buchclubs gelten. Der Verkauf der Nordamerika-Clubs Bookspan und Columbia House ist seit Freitag perfekt. Bertelsmann hatte allein für Columbia House vor wenigen Jahren mehr als 300 Millionen Euro ausgegeben. Im vergangenen Jahr wurde das Geschäft mit Wertberichtigungen in Höhe von 291 Millionen Euro komplett abgeschrieben. Der Verkaufspreis fiel nach Einschätzung von Branchenkennern bescheiden aus. In der Kasse von Bertelsmann-Finanzchef Thomas Rabe in Gütersloh dürfte letztlich nach Abzug aller Kosten nur eine Summe im mittleren zweistelligen Millionenbereich ankommen.

Im Gegensatz zum abgestoßenen Nordamerika-Geschäft ist die Trennung von den europäischen Club-Aktivitäten dagegen noch längst nicht beschlossen, versichern Bertelsmann-Manager. Denn die Bilanzen der Europa-Aktivitäten, allen voran Frankreich, Spanien, Portugal und die Ukraine, sehen nicht schlecht aus. Und auch die deutschen Bertelsmann-Clubs sind nach Jahren in der Verlustzone seit 2006 wieder in den schwarzen Zahlen.

Der eingeläutete interne Prüfprozess ist bis Mitte 2009 terminiert. Sollte Bertelsmann einen Käufer finden, der ein lukratives Angebot unterbreitet, könnte die Ära der Buchclubs bei Bertelsmann aber auch schon früher zu Ende gehen. Der 87 Jahre alte Nachkriegsgründer Reinhard Mohn, zu dessen Lebzeiten eine Trennung von der Keimzelle des Konzerns lange Zeit als undenkbar galt, soll jedenfalls bereits grundsätzlich grünes Licht gegeben haben. Gemeinsam mit seinem Vertriebschef Fritz Wixforth hatte er mit seinem «Lesering» nach dem Zweiten Weltkrieg breiten Schichten erstmals den preisgünstigen Zugang zur Literatur geebnet. Mohn schrieb auf diese Weise Epoche - und machte viel Geld.

Was lange Zeit als vorbildhaft galt, ist inzwischen jedoch zumindest in Deutschland nicht mehr am Puls der Zeit. Die Abnahmeverpflichtung von vier Büchern pro Jahr sieht Sparten-Chef Fernando Carro als ein großes Manko, das entscheidend zum Mitgliederschwund in Deutschland beiträgt. Derzeit stehen noch drei Millionen Menschen in der Mitgliederliste, deutlich weniger als zu Boomzeiten Mitte der 1980er-Jahre.

In die Strategie von Konzernchef Ostrowski, der «Wachstum als die Basis von allem» identifiziert hat, mag das Clubmodell nicht mehr so recht passen. Diese Basis sieht Ostrowski offensichtlich ohnehin nicht mehr so sehr in den klassischen Medienmärkten, die er als «reif» bezeichnet. Vielmehr will er vermehrt auf Dienstleistungen seiner Konzerntochter Arvato und auf den Bildungssektor setzen. Dies sei ein «Megatrend».

Um dort kräftig zu investieren, braucht Bertelsmann allerdings Geld. Der von der Familie Mohn - wie es im Vorstand heißt - «sehr empfohlene» - Aktienrückkauf für 4,5 Milliarden Euro vom belgischen Minderheitsaktionär Groupe Bruxelles Lambert (GBL) steckt den Güterslohern noch immer in den Knochen, Milliardeninvestitionen sind ohne Abgabe von Firmenteilen oder das Verfehlen von Verschuldungszielen schlicht nicht möglich.