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Gunter Thielen verlässt bei Bertelsmann die Kommandobrücke

Thielen hatte in seiner Zeit an der Konzernspitze konsequent auf die von Nachkriegsgründer Reinhard Mohn implementierte Unternehmensphilosophie gesetzt.

Gütersloh/Berlin (dpa) - Einen aufgeräumten Konzern wollte der scheidende Bertelsmann-Chef Gunter Thielen seinem Nachfolger Hartmut Ostrowski übergeben: Ertragsstark, wachstumsorientiert, ohne offene Baustellen. Nach gut fünf Jahren an der Spitze von Europas größtem Medienunternehmen und 27 Jahren im operativen Geschäft hat der im Saarland geborene Manager viele seiner Ziele erreicht - aber nicht alle. 2002 von Reinhard Mohn nach dem Rauswurf Thomas Middelhoffs als Nothelfer aus dem Manager-Ruhestand an die Konzernspitze geholt, machte Thielen Bertelsmann zu seiner Herzensangelegenheit.

Als der 65-Jährige am Mittwochabend den Staffelstab an Ostrowski weitergab, hatte er dennoch nicht alles geschafft. «100 000 Mitarbeiter, zwei Milliarden operativen Gewinn und zehn Prozent Umsatzrendite» lauteten Thielens wirtschaftliche Langzeit-Ziele zu Beginn seiner Amtsperiode. Für viele Bertelsmann-Manager klang dies anfangs angesichts düsterer Aussichten etwa im einbrechenden Musikgeschäft vermessen. Vor einem Jahr hatte Thielen fast alles erreicht. Ausgerechnet sein letztes Jahr im Vorstandsvorsitz dürfte ihm die Bilanz aber ein wenig verhagelt haben.

Thielen musste teure Baustellen schließen. 300 Millionen Euro flossen für die Bereinigung des Rechtsstreits um die ehemals illegale Musiktauschbörse Napster, weitere fast 96 Millionen brummte das Bundeskartellamt der Fernsehtochter RTL unter dem Vorwurf unsauberer Werbepraktiken auf. Dazu kamen schlechte Geschäfte bei der Tiefdruck- Tochter Prinovis und im internationalen Club-Bereich.

Der operative Gewinn von 1,86 Milliarden Euro dürfte 2007 dennoch weiter geklettert sein, die Marke von 100 000 Mitarbeitern hatte Bertelsmann schon im Sommer übersprungen. Eine Umsatzrendite von zehn Prozent wird Bertelsmann unter Thielens Führung jedoch kaum noch schaffen können. Nach 9,7 Prozent im vergangenen Jahr dürfte sie kaum gewachsen sein. Dennoch wurde die Quote in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht. «Die Firma hat ein neues Ertragsniveau erreicht», sagt Thielen selbst.

Thielen hatte in seiner Zeit an der Konzernspitze konsequent auf die von Nachkriegsgründer Reinhard Mohn implementierte Unternehmensphilosophie gesetzt. Dezentralisierung und partnerschaftliches Miteinander von Führung und Mitarbeitern lautet die Kernthese. In den USA erhielt er für seinen Führungsstil den Global Leadership Award, von den Betriebsräten wird er geschätzt.

Mit seiner beharrlichen Zielorientierung hat Thielen es aber auch geschafft, den Konzern wieder profitabel zu machen. Das ermöglichte es der Eignerfamilie um Reinhard und Liz Mohn, für 4,5 Milliarden Euro den Minderheitsaktionär Groupe Bruxelles Lambert herauszukaufen, um einen Börsengang zu verhindern. Der Rückkauf war die größte Finanztransaktion in der Bertelsmann-Firmengeschichte. Thielen setzte sie zunächst widerwillig um, dann zog er sie durch.

Als künftiger Aufsichtsratschef will sich Thielen auch weiterhin der Geschicke des Bertelsmann-Konzerns annehmen - vor allem aber als Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung ganz im Sinne seines Ziehvaters Reinhard Mohn für gesellschaftliche Ziele. Erst am Mittwoch hat er die zweite Welle der Motivations-Kampagne «Du bist Deutschland» in Gang gesetzt. Gedanken über Probleme von Bildung, Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit will er sich künftig häufiger machen und die Stiftung noch stärker internationalisieren.