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DPA/Von Michael Donhauser

Neues Zeitalter bei Bertelsmann - Wer nicht wächst, wird verkauft

Außer dem Fernsehen sieht Ostrowski vor allem Geschäftsfelder am Rande der klassischen Medien als Wachstumsmotoren: Bildung und industrienahe Dienstleistungen. Im Gegensatz zu den klassischen Medien, die nur ein Wachstum von im Mittel «läppischen» 1,1 Prozent versprächen, sind die Servicegeschäfte aus Ostrowskis Sicht Zukunftsmärkte.

Berlin (dpa) - Für Europas größten Medienkonzern Bertelsmann hat am Donnerstag ein neues Zeitalter begonnen. Nicht nur, weil mit Hartmut Ostrowski (49) ein neuer Mann das Ruder vom scheidenden Vorstandsvorsitzenden Gunter Thielen übernommen hat. Sondern vor allem, weil der Neue gleich bei seinem ersten Auftritt vor 600 Konzern-Managern aus aller Welt in Berlin mit klaren Ankündigungen aufhorchen ließ. «Führung übernehmen, Wachstum generieren, Werthaltigkeit schaffen», lautet der ambitionierte Auftrag. Bis 2015 soll der Umsatz von 20 auf 30 Milliarden Euro steigen, der operative Gewinn von zwei auf drei Milliarden Euro. In diesem Jahr hatte Bertelsmann die angepeilte Umsatzrendite von zehn Prozent noch klar verfehlt.

Am Mittwoch hatte sich Ostrowski bei der rauschenden Abschiedsparty für seinen Vorgänger noch ins Glied eingereiht und mit seinen Vorstandskollegen in abenteuerlicher Kostümierung die Gruppe YMCA imitiert. «Goodbye Gunter» hieß der umgeschriebene Song nach der Melodie von «In the Navy». Am Tag danach soll nach Angaben aus Teilnehmerkreisen der Saal im Berliner Congress Centrum komplett umdekoriert worden sein. Klare Ansage an das versammelte Management: Das Feiern ist vorbei, jetzt wird gearbeitet. «Wachstum geht über alles», lautet die unmissverständliche Botschaft Ostrowskis. Und das Geschäftsfeld, das trotz intensiver Betreuung durch den Vorstand die vorgebenen Ziele wiederholt nicht schafft, muss damit rechnen, abgestoßen zu werden.

«Die eine oder andere Deinvestition» zur Konzentration auf neue Wachstumsfelder schloss Ostrowski schon an seinem ersten Arbeitstag nach der Stabübergabe von Gunter Thielen nicht aus. Die lange als Sorgenkind gehandelte Musikbeteiligung an Sony BMG scheint sich den Andeutungen Ostrowskis zufolge erholt zu haben. Dagegen bestätigte er indirekt Überlegungen, wonach die US-Clubsparte mit den ins Trudeln geratenen Buchclubs von Bookspan und den DVD-Clubs von Columbia House möglicherweise abgestoßen werden könnte. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

Konkreter mutet die Ankündigung an, die restlichen zehn Prozent der Aktien an der hochprofitablen und wachstumsstarken Fernsehtochter RTL Group zu kaufen. Die Kosten von 1,3 Milliarden Euro fehlen dann aber in der Investitionskasse. Die Mittel eines Familienunternehmens seien eben bewusst limitiert, meinte Ostrowski. RTL-Chef Gerhard Zeiler war zuletzt sauer, weil aus Spargründen ein lukrativ erscheinendes Milliardengeschäft in der Türkei nicht zustande kam. Man müsse die Kuh auch füttern, die man melken will, mahnte Zeiler am Donnerstag seinen bisherigen Vorstandskollegen und neuen Chef Ostrowski mit Blick auf die Rolle der ertragsstarken RTL Group innerhalb der sechs Bertelsmann-Sparten. Zeiler nötigte Ostrowski damit das Versprechen ab, auch künftig für genügend «Futter» zu sorgen und auch die dezentrale Entscheidungsgewalt des Fernsehbereichs zu wahren.

Außer dem Fernsehen sieht Ostrowski vor allem Geschäftsfelder am Rande der klassischen Medien als Wachstumsmotoren: Bildung und industrienahe Dienstleistungen. Im Gegensatz zu den klassischen Medien, die nur ein Wachstum von im Mittel «läppischen» 1,1 Prozent versprächen, sind die Servicegeschäfte aus Ostrowskis Sicht Zukunftsmärkte. Ein Bekenntnis an die Kreativen unter den 100 000 Mitarbeiter des Konzerns rang sich der Zahlenmensch Ostrowski aber dennoch ab: «Wir brauchen kreative Menschen wie die Luft zum Atmen», sagte er. Nicht ohne aber auch das Motto des geborenen Dienstleisters zu erwähnen: «Der Kunde ist König.»