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Die re:publica als Kompass für Internet und Gesellschaft

Früher war die re:publica nur ein Klassentreffer der Blogger, heute wird die Konferenz auch von Entscheidungsträgern ernst genommen. Drei Tage lang haben die Teilnehmer die aktuellen Spannungslinien der digitalen Gesellschaft ausgelotet - zwischen Acta und Twitter.

 

 

Berlin (dpa) - Netzaktivisten schwärmen von der "Schwarm-Intelligenz", von der Entwicklung neuer Ideen aus dem Miteinander im Internet. Lebender Beweis für die Stärke dieses Konzepts ist die Berliner Konferenz re:publica, die am Freitag nach drei Tagen zu Ende ging. "Wir sind froh, dass wir mittlerweile ernst genommen werden", sagte Mitveranstalter Markus Beckedahl mit Blick auf die Anfänge der re:publica, die 2007 als eine Art Klassentreffen der Bloggerszene begann. "Das zeigt sich etwa darin, dass EU-Kommissarin Neelie Kroes hier erklärt, dass Acta am Ende ist."

"Macht Euch um Acta keine Sorgen mehr", sagte die für die Digitale Agenda zuständige EU-Kommissarin am Freitag den rund 4000 Teilnehmern der Konferenz. Es sei wahrscheinlich, dass das internationale Vertragswerk für effizientere Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen nicht in Kraft treten werde. Die vielen Proteste gegen Acta seien ein Weckruf für die Politiker in Brüssel gewesen.

Die Aktivitäten der Netzaktivisten bezeichnete die EU-Kommissarin als "starke neue politische Stimme". Sie teile zwar nicht alle Forderungen, begrüße aber die neue Kraft für Offenheit. "Das Beste am Internet ist, dass es offen ist. Ich will, dass es so bleibt." Für Künstler und Kreative müssten aber Lösungen für eine faire Bezahlung im Netz gefunden werden. Der Wandel von analog nach digital bedeute nicht, dass Inhalte immer kostenlos seien.

Für Prominenz sorgte auch Regierungssprecher Steffen Seibert, der seit Anfang 2011 bei Twitter aktiv ist. Man dürfe in Sachen Modernität nicht weit hinter den Vatikan zurückfallen, sagte der frühere TV-Journalist augenzwinkernd. "Ich habe unterschätzt, wie viel Freude es macht und überschätzt, wie viel Zeit es kostet." Allerdings schränkte er die Bedeutung des Micro-Blogging-Dienstes ein: Der sei nur ein zusätzlicher Kanal für die Kommunikation, und das Netz sei nicht die Republik.

"Die re:publica ist erwachsen geworden", sagte einer der Teilnehmer, der Berliner Musik-Experte Eric Eitel. "Sie muss aufpassen, dass sie nicht zu etabliert wird. Mit der Keynote von Eben Moglen hat die Veranstaltung aber auch Kante gezeigt und bewiesen, dass sie durchaus noch ein Forum ist, auf dem Meinungen jenseits des Mainstreams eine große Bühne bekommen können."

Der Historiker und Jurist an der University of Columbia in New York hatte die Teilnehmer zur Eröffnung in einer eindringlichen Rede gemahnt, die Organisation des globalen Netzwerks selbst in die Hand zu nehmen und zu verhindern, dass globale Unternehmen und Regierungen die Freiheit im Netz erstickten. Der Ausweg liege in der Entwicklung freier Medien im Internet auf der Grundlage von freier Software und Telekommunikationsmedien in öffentlicher Trägerschaft.

Damit bot er den "re:publicanern" im historischen Postbahnhof von Berlin reichlich Gesprächsstoff. Die großen Online-Treffpunkte wie Facebook und Twitter vermittelten ihren Nutzern den fälschlichen Eindruck, öffentlich zu sein, sagte der bekannteste Kopf der Bloggerszene, Sascha Lobo. "Daraus ergeben sich unterschiedliche Facetten von Problemen" - bis hin zur Möglichkeit einer Kontrolle inhaltlicher Diskussionen durch die Privatunternehmen.

Das Programm der re:publica auf einen Nenner zu bringen, ist aber fast unmöglich. Die mehr als 200 Stunden Programm deckten Themen der gesamten digitalen Landschaft ab: Da ging es beispielsweise darum, wie Facebook und Twitter während des Arabischen Frühlings den Protest vom Wohnzimmer auf die Straße trugen. Wie Anhänger der "Quantified Self"-Bewegung ihr gesamtes Leben mit dem Smartphone vermessen. Oder wie es um die Hacker-Bewegung Anonymous steht.

Dass die re:publica längst etabliert ist, zeigte auch die Liste der Sponsoren und Partner: Daimler und die Commerzbank-Tochter Comdirect waren beispielsweise dabei, außerdem die Bundeszentrale für politische Bildung. Die Themen der re:publica sind im Mainstream angekommen.