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Fall Julian Reichelt: Staatsanwaltschaft führt Springer vor

Fall Julian Reichelt: Staatsanwaltschaft führt Springer vor Julian Reichelt (Screenshot: NIUS)

Springers Vorwürfe gegen seinen ehemaligen Chefredakteur haben sich laut Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Reichelt-Anwalt Ben Irle sagt in der FAZ: Springer habe Reichelt wider besseren Wissens der Begehung einer Straftat verdächtigt.

Berlin – Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ihr Ermittlungsverfahren gegen Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt eingestellt. Das teilte die Behörde mit. Grundlage war eine Strafanzeige des Medienkonzerns Axel Springer wegen des Verdachts des Betruges. Zuvor hatte Michael Hanfeld in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ darüber berichtet.

 

Was war passiert?

Axel Springer hatte als ehemaliger Arbeitgeber Anzeige gegen Reichelt erstattet. Ihm war vorgeworfen worden, wahrheitswidrig versichert zu haben, die noch im seinen Besitz befindlichen Dokumente und Dateien des Verlags vernichtet zu haben. So soll er vorgetäuscht haben, eine wesentliche Bedingung im Rahmen der Vertragsauflösung erfüllt zu haben, um die vereinbarte Abfindungssumme ausgezahlt zu bekommen.

 

„Dieser Verdacht hat sich nach den Ermittlungen nicht bestätigt“, heißt es nun bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Die Behörde begründet das ausführlich: „Tatsächlich soll der Beschuldigte vom Verlag in Zusammenhang mit einem anderen Rechtsstreit gebeten worden sein, Unterlagen zur Verfügung zu stellen und nicht zu vernichten (sog. document hold). Dieser Bitte soll er auch nachgekommen sein. Damit aber ist davon auszugehen, dass bei Auszahlung der Abfindungssumme dem Verlag durchaus bewusst war, dass sich noch Unterlagen bei dem Beschuldigten befanden. Da man die Abfindungssumme trotz dieses Wissens ausgezahlt hat, kann die Behauptung des Beschuldigten, alle Unterlagen bereits gelöscht zu haben, nicht ursächlich für die Auszahlung gewesen sein. Es fehlt somit an der für einen Betrug erforderlichen Kausalität: Die Vermögensverfügung (Auszahlung der Abfindung) muss eben auch gerade auf der mutmaßlichen Täuschung (Erklärung, die Unterlagen vernichtet zu haben) beruhen.“

 

Vor diesem Hintergrund bleibt aus Sicht der Staatsanwaltschaft offen, ob Reichelt überhaupt beabsichtigte, Springer durch die Erklärung zu täuschen. Oder ob er vielmehr davon ausging, dass sich die Angaben ohnehin nur auf andere Dokumente und Dateien bezogen. „Daher liegen aber auch keine Anhaltspunkte für einen versuchten Betrug vor.“

 

Michael Hanfeld hat für seinen Artikel in der FAZ mit Katharina Dierlamm, der Anwältin von Julian Reichelt, gesprochen. Dierlamm teilte mit: Die Staatsanwaltschaft sei ihrem Einstellungsantrag vollumfänglich gefolgt. Und die Juristin betont weiter: „Diese Einstellung entspricht einem Freispruch. Die gegen Julian Reichelt von Seiten Axel Springer erhobenen Vorwürfe waren von Beginn an völlig haltlos. Ob und, wenn ja, welche weitergehenden Konsequenzen sich aus der Einstellungsverfügung ergeben, wird derzeit geprüft.“

 

„Das bedeutet, dass sich die Angelegenheit auch in die entgegengesetzte Richtung bewegen könnte“, kommentiert Michael Hanfeld. Reichelt-Anwalt Ben Irle sagte auf FAZ-Anfrage, Springer habe Reichelt wider besseren Wissens der Begehung einer Straftat verdächtigt. Das werfe die Frage auf, ob nicht Springer „strafrechtliche Grenzen überschritten hat.“ Die Strafanzeige, meint Irle, habe „allein dem untauglichen Versuch“ gedient, „Julian Reichelt einzuschüchtern und mundtot zu machen“.

 

Axel Springer teilte der FAZ zur Einstellung des Verfahrens gegen Julian Reichelt mit: „Wir respektieren die Entscheidung der Staatsanwaltschaft.“

 

Hintergrund: Reichelt musste im Herbst 2021 seinen Posten als Chefredakteur bei Deutschlands größter Boulevardzeitung räumen und Springer verlassen. Im vergangenen April zeigte der Medienkonzern Reichelt an. Neben der Strafanzeige verlangte Springer in einem arbeitsrechtlichen Streit die Rückzahlung einer Abfindung von dem früheren Chefredakteur zurück. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht endete jedoch vor rund zwei Monaten überraschend mit einer außergerichtlichen Einigung. Auf was genau sich die Parteien geeinigt haben, blieb unklar.

 

Die strafrechtlichen Ermittlungen liefen unabhängig davon zunächst weiter, nachdem die Staatsanwaltschaft im Frühjahr einen Anfangsverdacht bejaht hatte. Bislang hatte die Behörde keine Details zu den Vorwürfen genannt.