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Journalistinnenbund: "Wer qualifizierte Medienfrauen finden will, findet sie"

Sachlicher, aber im Ton weiterhin treffend antwortet Andrea Ernst, 1. Vorsitzende vom Journalistinnenbund, auf die Stellungnahme vom Organisationsteam des "Mainzer Mediendisputs".

Mainz - Der Journalistinnenbund hatte enttäuscht reagiert, dass fast keine Frauen an den Podiumsdiskussionen beim Mediendisput teilnehmen.

Den Brief, der diesmal an die Projektgruppe Mainzer Mediendisput, die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, die die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und die Friedrich-Ebert-Stiftung versandt wurde, veröffentlichen wir hier im vollen Wortlaut.

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihr Antwortschreiben, das uns am 28. September 2012 erreicht hat.

Ironie und Satire schmerzen. Unter diesem Blickwinkel verstehen wir Ihre Stellungnahme auf unseren offenen Brief, dessen lebhafte öffentliche Auseinandersetzung um drei zentrale Aspekte kreist:

1. Es gäbe nicht genügend Frauen in verantwortlichen Führungspositionen, die bereit wären, an medienpolitischen Debatten teilzunehmen. Sie schreiben dazu: „Ein Markenzeichen des Mainzer Medien Disputs ist es jedoch, dass die Diskussionen zu bedenklichen Medienentwicklungen direkt mit den Verantwortlichen geführt werden“. Dieser Grundsatz folgt dem Prinzip „more of the same“. Wenn es tatsächlich um die Infragestellung bedenklicher medienpolitischer Tendenzen geht, dann ruft dieser Grundsatz geradezu danach, ihn auch mit den Stimmen von Quereinsteiger/innen, nicht öffentlich-rechtlich Sozialisierten, Selbständigen, jungen Start-Ups, Querköpfen und freien Medienmacher/innen, Produzent/innen, Blogger/innen, Autor/Innen und „Nicht-Im-System-Denkenden“ zu verhandeln. Unabhängig davon, ob es sich um Frauen oder Männer handelt.

2. Wer qualifizierte Medienfrauen finden will, findet sie (siehe Punkt 1). Wer jedoch dabei ausschließlich nach der gleichen Kleiderordnung sucht, stößt- wie Sie richtig schreiben - bald an Grenzen. Tatsächlich, in den Geschäftsführungen, Justiziariaten, Hauptabteilungen und Gremien wird (mit Ausnahmen) nicht einmal jede fünfte Leitungsposition von einer Frau eingenommen. Außerhalb der Kleiderordnung kommen diejenigen hinzu, die an der s.g. „Gläsernen Decke“ arbeiten: Systemimmanent heißen sie Projektleiterinnen, Abteilungsleiterinnen, Studioleiterinnen, Chefreporterinnen, Ressortleiterinnen, Redaktionsleiterinnen, usw. Alle Möglichkeiten in den Blick zu nehmen (siehe Punkt 1 und 2) erleichtert das Finden ungewöhnlicher medienpolitischer Positionen.

3. Der Wille „Frauen zu finden“ stellt sich nicht als eine diffuse Aufgabe der „Gerechtigkeit“, sondern als eine der journalistischen Qualität. Dass durch eine gendersensible Sicht medienpolitische Entwicklungen unterschiedlich gestaltet, gewichtet, voran getrieben und beurteilt werden können, ist ein Zeichen von Vielfalt und Substanz. Wer auf diesen „Mehrwert“ verzichtet, verengt die Basis des eigenen Anspruchs – für den der Mainzer Mediendisput stehen will. Eben aus diesem Grund ist Ihre Gästeauswahl aus fachlicher Sicht zu kritisieren. Sie verzichten in den Einschätzungen und Analysen Ihrer Panels auf Aspekte, die sich aus den für Männer und Frauen unterschiedlichen Hintergründen, Arbeits-, Lebens- und Erfahrungswelten ergeben. Kontext zählt!

Und ganz kurz in eigener Sache: Ebenso wie Sie arbeiten wir ausschließlich ehrenamtlich, nachts und am Wochenende – ohne Zulage, Aufwandsentschädigung oder Honorar. Ein offener Brief ist eine politische Stellungnahme und kein journalistischer Artikel. Insofern greift Ihre Kritik, mit keinem der Betroffenen oder Beteiligten gesprochen zu haben, ins Leere. Wir haben uns an die von Ihnen veröffentlichten Fakten gehalten, die am 21. September auf Ihrer homepage nachzulesen waren.

Ihre Aufforderung, eine bundesweite Fachkonferenz zu organisieren, setzen wir seit Jahren um. So fand z.B. unter dem Titel „Macht. Weiter. Denken“ vom 22.6. – 24.6. in München die Jahrestagung mit über 200 Journalistinnen aus allen Medienbereichen und Kolleginnen des arabischen Frühlings statt. Über diesen Link finden Sie das Programm und die Liste der Referentinnen und Moderatorinnen: journalistinnen.de/verein/jahrestagung_archiv/2012/jahrestagung2012_biographien.html

Eine Personalisierung der Diskussion lehnen wir ab. Verantwortlich sind selbstverständlich alle Verantwortlichen in der Projektgruppe, in der Friedrich-Ebert-Stiftung, in der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz, sowie in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz.

Abschließend zitieren wir gerne die Forderung unserer „Pro Quote“-Kolleginnen (www.pro-quote.de): In den kommenden fünf Jahren sollen mindestens 30 Prozent aller journalistischen Führungspositionen mit Frauen besetzt sein. Wäre es ein erstrebenswertes Ziel, wenn dies auch für die Panels des Mainzer Mediendisputs gelten könnte?

Wir freuen uns auf weitere lebhafte Diskussionen und wünschen Ihnen einen ertragreichen 17. MainzerMedienDisput!

Andrea Ernst

1. Vorsitzende

für den Vorstand (Cornelia Benninghoven, Wibke Gerking, Hilde Weeg, Karin von der Groeben, Sabine Göb)