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Newsroom – Markus Wiegand

„Content Trap“ – DuMont-Chef Christoph Bauer über die Zukunft digitaler Regionalnachrichten

„Content Trap“ – DuMont-Chef Christoph Bauer über die Zukunft digitaler Regionalnachrichten Christoph Bauer (DuMont Mediengruppe / Max Brunnert)

Bauer spricht offen über die ökonomischen Grenzen regionaler Nachrichten im Netz und erklärt, warum Paid Content und Reichweite bisher nicht ausreichen, um digitale Geschäftsmodelle nachhaltig zu sichern.

Köln – DuMont-Chef Christoph Bauer spricht im „kress pro“-Interview mit Chefredakteur Markus Wiegand so offen wie selten über die ökonomischen Grenzen regionaler Nachrichten im Netz.

 

Im Mediengeschäft ist mein Eindruck, dass KI natürlich viele Arbeitsabläufe und Tätigkeiten vereinfachen kann. Gleichzeitig kommt aber das digitale Geschäft als Wachstumsfeld enorm unter Druck. Stichwort: KI-Suche.

Christoph Bauer: Das muss man in einem größeren Zusammenhang sehen. In einer Ökonomie, in der die großen Plattformen die Allgegenwärtigkeit von Informationen kommerzialisieren, haben Verlage viel zu lange geglaubt, mit Exklusivität Geld verdienen zu können. Wir nennen das intern die Content Trap, die Inhaltefalle. Die große Mehrheit an publizierten Inhalten sind regionale Nachrichten, neben ein paar Nischen- und überregionalen Angeboten. Dafür gibt es bislang keine Möglichkeit, digital ausreichend Geld zu verdienen.

 

Klingt sehr pessimistisch.

Wenn wir glauben, wir hätten die Effekte der dominierenden Plattformen in der digitalen Ökonomie schon erlebt, täuschen wir uns: Es wird noch viel intensiver. Unsere mühsam aufgebauten Reichweiten, die wir noch kaum kommerziell nutzen konnten, werden zunächst wieder schrumpfen. Und das ist tatsächlich eine große Herausforderung. Aber der Optimist in mir sagt: Wir müssen erst lernen, das Internet und seine Mechanismen wirklich zu verstehen. Ich habe vor 30 Jahren in den USA studiert und hatte dort erstmals Zugang zum Internet. Schon damals haben wir uns mit digitalen Geschäftsmodellen beschäftigt. Das wichtigste Learning seitdem lautet: Es gibt viele Ansätze, aber für journalistische Inhalte gibt es bis heute kein wirklich relevantes Modell.

 

Die ganze journalistische Medienbranche hat kein Geschäftsmodell im Digitalen?

Jedenfalls kein relevantes für regionale Nachrichten und keines, das von uns entscheidend beeinflusst werden kann. Umsätze digitaler News-Angebote liegen im Vergleich zu Tageszeitungen bei gleicher Reichweite um den Faktor 10 bis 15 niedriger und sind kaum steuerbar. Dieses Jahr haben wir es alle erlebt: Google hat seinen Algorithmus ohne Vorwarnung umgestellt, was teils Reichweitenverluste von 50 Prozent und mehr zur Folge hatte. Das zeigt, in welcher Welt wir uns bewegen.

 

Zurück zum Geschäft. Manche regionalen Medienhäuser vermelden jetzt immerhin, dass die digitalen Vertriebserlöse inklusive E-Paper immerhin erstmals die Kosten der digitalen Organisation einspielen.

Es gibt gute Ansätze, aber die reichen nicht aus. Ich habe 2003 für die „Neue Zürcher Zeitung“ eines der ersten E-Paper für eine überregionale Tageszeitung mitentwickelt. Die Erfahrung zeigte schnell: Es ist vor allem eine Verlängerung des Printprodukts. Natürlich probieren auch wir Paid-Content-Ansätze. Wir müssen aber akzeptieren, dass sie noch nicht funktionieren und abhängig sind von den großen Plattformen.

 

… Und wird es ohne diese neuen Ansätze nicht reichen fürs Regionalgeschäft?

Nach heutigem Wissen: nein. Paid Content und klassische Werbung allein sind derzeit nicht ausreichend steuerbar und wirtschaftlich nicht attraktiv genug, um digital unabhängigen Journalismus zu betreiben – das heißt: profitabel und unabhängig davon, welche Social-Media-Plattform, welcher Suchalgorithmus oder welches KI-Unternehmen entscheidet, wie Inhalte zu den Nutzern gelangen. Langfristig habe ich noch die Hoffnung, dass sich die Welt neu ordnet, aber mit Hoffnung allein kann man keine Entscheidungen treffen.

 

Das habe ich in dieser Deutlichkeit noch nie gehört.

Die Hoffnung ist natürlich da, deshalb sind wir im Regionalgeschäft geblieben – wenn auch nicht in vollem Umfang, weil wir wussten, wie herausfordernd es wird. Wenn man das so sagt, wird es schnell als Geringschätzung journalistischer Leistungen verstanden. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Unsere gesamte Diversifikationsstrategie verfolgen wir, um Zeit zu gewinnen, wirtschaftlich stabil zu bleiben und aktiv an neuen Geschäftsmodellen mitarbeiten zu können. Die kommenden zehn bis 20 Jahre werden anstrengend bleiben. Aber ich kann nicht wider besseres Wissen Dinge behaupten, die sich in keinem Geschäftsplan der Vergangenheit belegen lassen.

 

Zum vollständigen Interview

 

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  • Wie Magazine und Zeitungen von Readly profitieren: Beliebte Titel können mittlere fünfstellige Beträge verdienen. Erfahrungen von „Bild“, „Euro am Sonntag“, „Rheinische Post“ und „Mac Life“ 

  • Erfolgreich führen: Acht Tipps, wie Redaktionsleitungen die steigenden Ansprüche meistern. Plus Ratschläge von Marion Horn („Bild“), Stefan Lutz („Südkurier“) und Julian Kienzle (Fachzeitschrift „Stereo“)

 

 

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