Vermischtes
KNA – Wilfried Urbe

Protest beim „Kölner Stadtanzeiger“: „Systematisch kaputtgespart“

Der DuMont-Konzern aus Köln setzt den Rotstift an. Beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ müssen Journalisten gehen, beim „Bundesanzeiger“ verweigert das Unternehmen Tarifverhandlungen. Die Belegschaft fürchtet einen Ausverkauf.

Köln (KNA) – Bei DuMont rumort es gewaltig. Überall im Kölner Zeitungskonzern wird der Rotstift angesetzt. Jetzt hat es die Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ (KStA) erwischt. Das altehrwürdige Blatt, das früher mal Strahlkraft weit über das Rheinland hinaus hatte, wird keinen eigenen Magazin-Teil mehr produzieren. Für die Redaktion, die bei Umstrukturierungen oder Stellenabbau im Konzern bisher nicht gerade rebellisch reagierte, ist damit eine „rote Linie“ überschritten, wie es ein Mitglied der Belegschaft gegenüber dem KNA-Mediendienst formuliert.

 

„Fassungslos“ reagieren in dieser Woche Redakteure auf den „de-facto-Rauswurf“ von 13 vor allem Kolleginnen in einem Brief an die Konzernspitze, der der KNA vorliegt. Auch die „noch nie erlebte menschliche Kälte, mit der diese Entscheidung mitgeteilt wurde“, bleibt darin nicht unerwähnt. Generell befürchten die Unterzeichnenden den Ausverkauf des Journalismus: „Die Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, die nicht nur die Print-Ausgabe bespielt, sondern auch den „markenbildenden Content“ fürs Digitale liefern soll, wird systematisch kaputtgespart.“ Erst kurz zuvor war den Journalisten „in diesem einst so stolzen Medienhaus“ die Verantwortung für den digitalen Auftritt, die jetzt in einer neuen Business Unit liegt, entzogen worden – eine bisher einmalige Entscheidung im Kölner Pressewesen.

 

„360-Grad-Monetarisierung“

Für die Mitarbeitenden ist klar, dass sich „regionaler Qualitätsjournalismus und die vom CEO ausgerufene „360-Grad-Monetarisierung“ ausschließen: „Es ist zu befürchten, dass künftig über Entscheidungen im Rathaus oder gar wichtige Minderheitenthemen digital nicht mehr berichtet wird. Mit dem absehbaren Aus der Print-Ausgabe verschwinden diese Berichte dann komplett aus Köln und der Region.“

 

Zuvor hatte der kommissarische Chefredakteur Christian Hümmeler mitgeteilt, dass „dieser Schritt uns“ natürlich nicht leicht falle: „Jetzt müssen wir den ‚Kölner Stadt-Anzeiger‘ im Sinne unserer Leserinnen und Leser weiterentwickeln. Mit den geplanten Maßnahmen erweitern wir unsere Flexibilität und können uns noch stärker auf unsere Kerninhalte konzentrieren: Lokale und regionale Themen aus Politik und Wirtschaft, Kultur, Sport und Gesellschaft.“ Und natürlich sollen die „Kosten- und Ressourceneffizienzen“ ebenfalls verbessert werden, wie es KStA-Medien-CEO Thomas Schultz-Homberg formulierte.

 

Für den Betriebsrat ist diese Argumentation kaum glaubhaft. Das Ressort Ratgeber/Magazin/Freizeit habe in vorbildlicher Weise digitale Unternehmensziele umgesetzt: „Die am besten gerankten Artikel stammen regelmäßig aus diesem Ressort“, und zwar sowohl „in Sachen Online-Kompetenz und Leser-Beliebtheit“, heißt es bei der Interessenvertretung der Beschäftigten. „Die Begründung, sich in Zukunft auf regionale und lokale Themen fokussieren zu wollen, greift nicht nur zu kurz, sie ist schlicht falsch“, so der Betriebsrat. Liege doch „der Schwerpunkt gerade der Freizeit- und Gastro-Formate, die das Magazin seit Jahren zu einem der beliebtesten Lese-Ressorts macht, in Köln und der Region.“ Nachrichtenagenturen, die diesen Job jetzt übernehmen sollten, könnten diese Lücke nicht füllen.

 

Wie umstritten der aktuelle Kurs des Medienkonzerns ist, wird unter anderem daran deutlich, dass in den letzten Monaten der Chefredakteur Carsten Fiedler, sein Stellvertreter Martin Dowideit sowie der Verantwortliche für die digitale Fortentwicklung das Haus verlassen haben.

 

Zoff beim „Bundesanzeiger“

Der „KStA“ ist aber zurzeit nicht die einzige Baustelle bei den Kölnern. Aktuell gehen auch die Mitarbeitenden des Bundesanzeiger-Verlags auf die Barrikaden. Das DuMont-Tochterunternehmen besitzt als wichtiges Verkündungs- und Bekanntmachungsorgan der deutschen Bundesbehörden quasi eine Monopolstellung – und ist mit rund 130 Millionen Euro Jahresumsatz und einer stattlichen Gewinnmarge von 18 bis 20 Millionen Euro die Cash Cow der Unternehmensgruppe. Doch der Verlag verweigert aktuell Tarifverhandlungen. „Bundesanzeiger“-Betriebsrat Gerhard Treinen kritisiert vor allem, dass sich ein großer Teil der rund 560 Beschäftigten und der bis zu 280 Leiharbeitenden in prekären Arbeitsverhältnissen befindet. Auf Kritik stößt auch die Praxis beim „Bundesanzeiger“, ständig weit über 200 Leiharbeitende einzusetzen. Bei vielen von ihnen lässt man die Verträge auslaufen, um sie dann nach drei Monaten wieder einzusetzen, nur damit sie gehaltsmäßig nicht mit den anderen Kollegen gleichgestellt werden.

 

Generell vermuten Eingeweihte, dass der Sparzwang möglicherweise mit einem Engagement des Medienhauses auf Geschäftsfeldern zu tun hat, die nicht gerade zur Kernkompetenz der Kölner gehören. Über die DuMont-Tochter United Marketing Technologies wurden beispielsweise vor einigen Jahren die Mehrheitsanteile an der Censhare AG, einem Anbieter für Cloud Services, übernommen.

„Was bei DuMont los ist, das ist schon enorm, einfach unsäglich“, beurteilt Medienwissenschaftler Horst Röper die Situation, „aber wenigstens wehrt sich die Redaktion jetzt mal.“ Am Mittwochnachmittag jedenfalls soll während einer Betriebsversammlung mit der Geschäftsführung beraten werden, wie es weitergehen soll. Dass ein Streik beschlossen wird, ist eher unwahrscheinlich. Nur wenige aus der Belegschaft sind gewerkschaftlich organisiert.