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Russland setzt Correctiv auf schwarze Liste – Rechercheplattform lässt sich nicht einschüchtern

Russland setzt Correctiv auf schwarze Liste – Rechercheplattform lässt sich nicht einschüchtern Correctiv-Publisher David Schraven (Foto: Correctiv)

Correctiv wird in Russland als „unerwünschte Organisation“ eingestuft – mit drastischen Folgen für alle, die mit der Plattform in Kontakt stehen. Trotz der Gefahr kündigt Correctiv an, seine Recherchen fortzusetzen.

Berlin – Correctiv reiht sich ein in eine wachsende Liste internationaler Medien-, Forschungs- und zivilgesellschaftlicher Einrichtungen, deren Arbeit in Russland nicht mehr geduldet wird. „Der russische Staat stellt unsere journalistische Arbeit pauschal unter Strafandrohung – und zeigt gleichzeitig, dass unsere Arbeit wirkt. Unabhängige Recherche soll in Russland verunmöglicht werden“, heißt es bei Correctiv. Am 10. Oktober 2025 wurde die gemeinnützige Rechercheplattform vom russischen Justizministerium zur sogenannten „unerwünschten ausländischen Organisation“ erklärt.

 

Strafandrohungen: Kontakt zu Correctiv kann verfolgt werden
Mit der Erklärung ist Correctiv nach eigenen Angaben jede Tätigkeit in der Russischen Föderation gesetzlich untersagt. Russische Staatsbürger, die im In- oder Ausland mit Correctiv Kontakt haben, könnten von russischen Behörden verfolgt werden. Jede Form der Zusammenarbeit mit Correctiv werde kriminalisiert. Dazu zählten bereits die Teilnahme an Gesprächen, die Weitergabe von Informationen, die Mitwirkung an Recherchen oder die Organisation gemeinsamer Projekte. Auch Handlungen, die aus journalistischer Sicht völlig alltäglich seien, könnten strafbar sein. Correctiv nennt als Beispiele das Weiterleiten eines Artikels, das Übersetzen eines Textes, das Kommentieren oder Liken von Correctiv-Inhalten in sozialen Netzwerken. Wiederholte oder als „systematisch“ interpretierte Kontakte zu Correctiv könnten zu hohen Geldstrafen oder Haftstrafen führen. „Der Gesetzestext zu ‚unerwünschten Organisationen‘ ist vage formuliert – eine klassische Taktik autoritärer Regime, zur Erzeugung maximaler Angst. Niemand soll wissen, was mögliche Konsequenzen sind“, so Correctiv.

 

Correctiv-Publisher David Schraven sagt dazu: „Diese Einstufung ist ein Angriff auf unabhängigen Journalismus und ein Versuch, kritische Berichterstattung einzuschüchtern. Wir lassen uns davon nicht abhalten. Unsere Aufgabe ist es, Fakten sichtbar zu machen – gerade dort, wo Mächtige versuchen, sie zu verbergen. Dass Russland uns kriminalisiert, zeigt nur, wie notwendig unsere Arbeit ist.“

 

Die Einstufung erschwert Correctiv die Recherchen zu Russland, macht sie aber nicht unmöglich. „Wir bewerten den Schutz potenzieller Quellen und Gesprächspartner aus Russland neu. Wir werden unsere Sicherheitsmaßnahmen verstärken. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern“, so David Schraven.

„Für uns bei Correctiv.Exil ist diese Entscheidung besonders schmerzhaft. Wir wissen, dass Partner, Freunde und Familienangehörige in Russland derzeit gefährdet sind. Unsere Arbeit wird schwieriger. Aber genau deshalb hören wir nicht auf. Solange es Menschen gibt, die die Wahrheit wissen wollen, werden wir berichten“, ergänzt Viera Zuborova, Direktorin Correctiv.Exile.

 

Recherchen zu russischer Einflussnahme und Desinformation
Correctiv recherchiert „systematisch zu russischen Desinformationskampagnen, zu Sanktionsumgehung und russischen Kriegsverbrechen“. Man dokumentiere, wie der russische Staat Einfluss auf die AfD nehme und welche Machtstrukturen Wladimir Putin im Westen aufbaue. Die Veröffentlichungen machten Strukturen und Methoden Russlands sichtbar, die bisher nicht öffentlich zugänglich gewesen seien.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist der Aufbau der russischsprachigen Exilredaktion Radio Sacharow. Sie bietet Journalistinnen und Journalisten, die aus Russland geflohen sind, eine Plattform, um unabhängig und kritisch zu berichten. Radio Sacharow richtet sich an ein Publikum im In- und Ausland und ermöglicht die Fortsetzung professioneller Berichterstattung – auch dort, wo freie Medien vor Ort eingeschränkt sind.

 

Über die journalistische Arbeit hinaus hat Correctiv mit Correctiv.Exile Räume für Austausch und Vernetzung geschaffen: Bei den monatlichen Exile Talks will man exilierte Medienschaffende und die deutsche Öffentlichkeit zusammenbringen. „In Diskussionsrunden, Vorträgen und Workshops widmen wir uns drängenden Themen – von Pressefreiheit und Menschenrechten bis hin zur Rolle des Exiljournalismus in demokratischen Gesellschaften.“

 

 

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