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Arbeitgeberwechsel nach vielen Jahren: Was Journalisten überrascht

Arbeitgeberwechsel nach vielen Jahren: Was Journalisten überrascht Attila Albert

Wer nach vielen Jahren seinen Arbeitgeber wechselt, hat zuvor lange darüber nachgedacht. Trotzdem zeigen sich immer wieder Realitäten, mit denen Medienprofis nicht gerechnet haben. Mediencoach Attila Albert über sechs häufige Herausforderungen und was sich jeweils empfiehlt.

Berlin – Wer lange beim selben Arbeitgeber geblieben ist, hat sich oft eine vorteilhafte Position aufbauen können. Professionelle Routine und damit Sicherheit, ein gutes Gehalt (selbst als Redakteur nicht selten 85.000 bis 95.000 Euro pro Jahr), ein starkes internes Netzwerk, eine gewisse Unabhängigkeit von den Verwerfungen der Branche. Trotzdem entschließen sich Medienprofis – aus den unterschiedlichsten Gründen – zu einem Wechsel des Arbeitgebers, manchmal nach zwei oder drei Jahrzehnten. Sie haben vorher lange darüber nachgedacht, werden aber danach trotzdem oft von sechs Realitäten überrascht.

 

1. Mehrere schnelle Wechsel sind häufig

Wer nach vielen Jahren den Arbeitgeber wechselt, geht häufig unbewusst davon aus, dass direkt danach eine erneute Phase der Stabilität dort folgen werde. Die Realität: Auf eine lange Festanstellung folgen oft mehrere schnelle Wechsel – innerhalb von ein bis zwei Jahren, manchmal innerhalb von Monaten. Der Grund: Viele Unklarheiten zeigen sich nun. Was wollen Sie wirklich, was passt zu Ihrem Profil und was nicht, wie ist die Realität der neuen Jobs und Arbeitgeber? Tipp: Keine Panik, erlauben Sie sich eine mehrjährige Phase der Neuorientierung. Planen Sie nur finanziell entsprechend, z. B. bei Konsumausgaben.

 

2. Sie müssen Ihr neues Profil entwickeln

In Ihrem vertrauten Umfeld arbeiten Sie routiniert und sicher, auch wenn nie alles perfekt läuft – und erwarten, dass das so weitergeht. Die Realität: Häufig stellt sich im neuen Job heraus, dass Sie Ihre Fähigkeiten unter- oder überschätzt haben, sind bald frustriert oder überfordert. Der Grund: Sie sind ohne Analyse Ihres Interessen- und Kompetenz-Profils gewechselt („wollte einfach etwas anderes machen“, „hatte genu"“. Tipp: Erarbeiten Sie systematisch, etwa mit einem Coach oder Mentor, was Ihre genauen Stärken, Schwächen, Interessen, Ziele und Werte sind. Das hilft Ihnen, das passende Umfeld für Sie zu finden.

 

3. Das neue Gehalt ist deutlich niedriger

Altverträge sind oft gut dotiert, und wer vom Journalismus in die PR wechselt, geht oft davon aus, sich noch einmal verbessern zu können. Die Realität: Das neue Gehalt ist regelmäßig 20 bis 30 Prozent niedriger. Wer erwartet, es nach der Probezeit schnell wieder steigern zu können, wird meist enttäuscht. Der Grund: Das Gehaltsniveau ist generell gesunken, und in der PR niedriger als oft erwartet. Tipp: Sehen Sie den Gehaltsverlust als Investition in Ihre Zukunft und Lebensqualität, auch als Anpassung an des heutigen Arbeitsmarkt. Eventuell ist ein Zusatzeinkommen (z. B. Lehrtätigkeit, Vorträge, Buch) eine interessante Option für Sie.

 

4. Sie brauchen einen formalen Abschluss

Bis vor wenigen Jahren war es mit Abitur und Volontariat möglich, bis zum Chefredakteur aufzusteigen. Wer nun eine Führungsposition hat, erwartet meist, auch bei einem Wechsel auf dem bisherigen Niveau bleiben zu können. Die Realität: Ein Bachelor-Abschluss ist heute meist Bedingung. Gleichzeitig werden Bewerbungen auf niedrigere Positionen oft abgelehnt, weil man angeblich „überqualifiziert“ sei. Tipp: Fehlenden Studienabschluss zügig nachholen, selbst wenn Sie schon Anfang 40 sind. Verlieren Sie nicht Zeit und Geld für Weiterbildungen, die Sie nicht zur notwendigen formalen Qualifikation führen.

 

5. BWL-, Personal- und Marketingwissen sind nötig

Der Journalismus ist durch zusätzliche technische, konzeptionelle und organisatorische Aspekte immer komplexer geworden. Langjährig tätige Medienprofis fühlen sich dadurch schon gut auf neue Umfelder vorbereitet. Die Realität: Im nächsten Job zeigen sich oft gravierende Wissenslücken speziell in Betriebs- und Personalwirtschaft sowie Marketing (z. B. Projektmanagement, Budgetierung, Personalplanung und -führung). Tipp: Lesen Sie jeden Monat ein Fachbuch zu einem BWL-, Personal- oder Marketingthema, das für Ihre neue oder angestrebte Tätigkeit relevant ist. Blogposts allein sind für Sie zu wenig!

 

6. Sie vermissen Ihr altes Umfeld

Wer sich nach vielen Jahren von seinem Arbeitgeber verabschiedet, geht häufig mit einem stillen Groll. Bestimmte Hoffnungen wurden enttäuscht, der Alltag war zuletzt frustrierend. Die Realität: Bald werden Sie sich trotzdem nach Aspekten (z. B. das „Nachrichtenfieber“) und Kollegen zurücksehnen, auch wenn Sie keinesfalls in den alten Job zurückwollen. Tipp: Halten Sie alte Kontakte, genießen Sie gelegentliche nostalgische Momente. Verabschieden Sie sich jedoch von der Vergangenheit. Die Stellenprofile und Unternehmen sind anders als vor zehn Jahren. Entwickeln Sie sich weiter, freuen Sie sich auf Ihre Zukunft. Der Wechsel nach langer Betriebszugehörigkeit ist ein großer Schritt, der nach meiner Erfahrung in der Coaching-Praxis mehrheitlich erfolgreich ist. Erfahrene Medienprofis machen gedanklich meist eine Gesamtkostenrechnung auf: Vielleicht ist das Gehalt niedriger, dafür die Arbeit interessanter, der neue Arbeitgeber weniger prominent, dafür kein Pendeln mehr nötig. Stehen Sie gerade vor einem Wechsel oder ist die erste neue Position eine Enttäuschung, ängstigen Sie sich nicht: Diese Phase ist normal und notwendig, damit Sie bald neue Stabilität unter veränderten Bedingungen erreichen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Von der Chefredaktion „entliebt“

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.