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Enttäuschte Journalistinnen und Journalisten: Wenn Sie die Chefredaktion „entliebt“

Enttäuschte Journalistinnen und Journalisten: Wenn Sie die Chefredaktion „entliebt“ Attila Albert

Nicht mehr für Förderprogramme vorgeschlagen, bei Führungspositionen, Gehaltserhöhungen und Extras übergangen: Langjährig angestellte Medienprofis stellen oft fest, dass sich ihr Arbeitgeber nicht mehr um sie bemüht. Mediencoach Attila Albert über Gründe und Auswege.

Berlin – Die Ressortleiterin eines Magazins war seit mehr als 15 Jahren bei ihrem Arbeitgeber und nicht mehr besonders glücklich. Sie mochte ihre Tätigkeit noch immer. Aber ihr Gehalt war seit Jahren nicht mehr gestiegen, weil jede tarifliche Erhöhung verrechnet wurde. War eine höhere Führungsposition zu vergeben, bot man sie ihr nie an. Einige Male hatte sie sich selbst intern beworben und war immer abgelehnt worden. Ebenso ihr Antrag auf eine Weiterbildung, sie habe „schließlich doch schon genug zu tun“. Warum bekam sie nie eine Chance? Sie erwog eine Kündigung, wollte aber auch ihren Vertrag nicht aufgeben.

 

Langjährige Angestellte stellen oftmals fest, dass sich ihr Arbeitgeber „entliebt“ hat, manchmal erst nach langem Zweifeln an ihrem eigenen Urteil. Er bemüht sich nicht mehr, scheint sie fast zu übersehen. Gewisse Indizien bestärken den Verdacht, dass er gelangweilt oder genervt ist, sie möglicherweise sogar loswerden will. Es ist ein bisschen wie in manchen Ehen: Das Gewohnte hat sich bewährt, ist aber nicht mehr aufregend und neu. Dann schauen sich einige lieber nach etwas Neuem um und fühlt sich dabei noch von ihrem Partner eingeschränkt. Die gemeinsame Vergangenheit zählt nicht mehr viel.

 

Treue zahlt sich aus, aber nicht ewig

Grundsätzlich zahlt sich Treue zum Arbeitgeber aus, aber nur bis zu einem gewissen Grad: Nach drei bis fünf Jahren setzt Routine ein, wenn man sich nicht mehr weiterentwickelt und damit interessant bleibt. Zwar solide und zuverlässig arbeitet, „den Laden am Laufen hält“. Aber keine Fantasien mehr darüber weckt, was noch in einem stecken könnte. Irgendwann wird man nicht mehr für Förderprogramme vorgeschlagen, bei Führungspositionen, Gehaltserhöhungen und Extras übergangen. Der Chef versucht bei passender Gelegenheit (z. B. Teilzeit wegen Weiterbildung, Elternzeit) oft sogar noch zu kürzen.

 

Die betroffenen Medienprofis brauchen oft einige Zeit, um das überhaupt zu erkennen, hatten sie doch das Gegenteil erwartet: dass ihre Zuverlässigkeit und Loyalität honoriert werden. Ist die Lage erst einmal klar, sind sie häufig enttäuscht und verletzt. Sie sehen, dass neue Kollegen an ihnen vorbeiziehen, die besseren Jobs und interessanteren Projekte bekommen. Drei Szenarien, jeweils mit eigenen Herausforderungen, sind dabei besonders häufig. Die Lösung lautet in jedem Fall: Mehr Entschlusskraft und Mut.

1. Sie sind ohne Studienabschluss aufgestiegen, wie es früher häufig war (z. B. nur Abitur plus Volontariat). Heute erfüllen Sie eine Voraussetzung für viele Führungspositionen nicht mehr: einen Bachelor-Abschluss. Holen Sie ihn möglichst schnell berufsbegleitend nach. Selbst mit Mitte 40 haben Sie schließlich noch 20 Berufsjahre vor sich. Eventuell bietet der Arbeitgeber sogar einen Zuschuss an.

2. Sie haben einen Altvertrag und verdienen übertariflich, während neuere Kollegen darunter liegen. Bewerben Sie sich intern, stellen Sie fest, dass alle Positionen niedriger budgetiert sind. Prüfen Sie, ob Sie mit weniger auskämen (Lebenshaltungskosten) und beurteilen Sie das Gesamtpaket. Ein neuer Job rechtfertigt eventuell einen Verzicht, wenn er Ihre Lebensqualität erhöht.

3. Sie sind ein Mann im mittleren Alter (ab ca. 40) und bemerken, dass Ihr Arbeitgeber bevorzugt junge Frauen befördert. Positive Diskriminierung ist inzwischen vielerorts üblich, wenn auch selten offen eingestanden. Ziehen Sie Konsequenzen, anstatt sich ewig mit Neid oder Frust aufzuhalten. Oft besser für Sie: Ein mittelständiger oder inhabergeführter Arbeitgeber oder die Selbstständigkeit.

 

Nicht immer ganz berechenbar sein

Wer sich aus der Loyalitätsfalle befreien will, muss seine Enttäuschung einmal aussprechen. Dafür eignet sich ein Mentor oder Coach meist besser als der Partner, den das auf Dauer überfordert. Bei versuchten Rückstufungen (z. B. in eine niedrigere Tarifgruppe, aus dem Impressum streichen) sollten Sie sich wehren, eventuell mit anwaltlicher Hilfe. Vor allem aber eine positive Vision für Ihre berufliche Zukunft entwickeln. Warten Sie nicht darauf, dass Ihr Chef oder das HR doch noch Ihre Qualitäten entdecken. Man kennt Sie, will aber „etwas Frisches“. Das ist ungerecht, aber eine häufige Beziehungsdynamik.

 

Als langjähriger Angestellter sind Sie aus Sicht des Arbeitgebers sicher und müssen nicht mehr besonders umworben werden. Man wird davon ausgehen, dass Sie trotz mancher Verschlechterung nicht gehen werden. Vor allem, wenn Sie Familie haben und damit wohl eher sicherheitsorientiert sind. Es liegt an Ihnen, wieder ein bisschen unberechenbarer und damit aufregender zu werden. Bewerben Sie sich regelmäßig. Bilden Sie sich weiter. Zeigen Sie sich bei Branchentreffen, öffentlichen Veranstaltungen oder mit einem gelegentlichen Gastbeitrag anderswo. Ihr Chef sollte sich Ihrer nie völlig sicher sein.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Emotional überfordert

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.