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Wenn Medienprofis zweifeln: Für einen Neuanfang ist es nie zu spät

Wenn Medienprofis zweifeln: Für einen Neuanfang ist es nie zu spät Mediencoach Attila Albert

Wer mit 30 noch keine Führungsposition hat, mit 40 noch keine Familie und mit 50 den Job wechseln will, zweifelt oft: Ist es jetzt nicht zu spät? Doch ein Neuanfang ist in jedem Lebensalter möglich, sagt Mediencoach Attila Albert. Wichtig sind Entschlossenheit und Flexibilität beim Ergebnis.

Berlin – Der freie Mitarbeiter einer Lokalzeitung hoffte seit längerem eine Festanstellung, hatte aber mit Ende 20 noch keinen Vertrag. War es nun zu spät dafür? Eine Redakteurin bewarb sich mehrmals auf Führungspositionen, war aber mit Mitte 30 damit noch nicht erfolgreich. War es nun schon fast wieder zu spät, um noch Karriere zu machen? Eine Ressortleiterin trennte sich mit 40 von ihrem Partner. Mehr noch als das Ende der Beziehung belastete sie, keine Kinder zu haben. War es nun zu spät für eine eigene Familie? Der Leiter eines Newsrooms überlegte, den Arbeitgeber zu wechseln. Aber er war Anfang 50 - zu spät für dieses Risiko?

 

Medienprofis aller Altersstufen haben die Sorge, es könne für gewisse Dinge nun zu spät sein. Weil sie sich für inzwischen zu alt halten, andere dieser Ansicht sind oder gewisse äußere Umstände nicht mehr so sind wie früher. Ich arbeite mit Klienten in allen Karriere- und Lebensphasen - mehrheitlich zwischen 30 und 55 Jahren, aber auch jünger und älter - und höre den Zweifel oft: „Ist es dafür jetzt nicht zu spät?“ Die Antwort: Es ist nie zu spät, berufliche und persönliche Ziele weiter zu verfolgen, wenn Sie jetzt entschlossen und beim Ergebnis flexibel sind. Dazu einige Gedanken.

 

(Ich schreibe Ihnen das als jemand, der manches in seinem Leben sehr jung, aber vieles auch eher spät gemacht hat. Ich habe mich z. B. erst mit 35 Jahren taufen lassen, mit 38 meinen Studienabschluss nachgeholt. Mit 39 erstmals einen Marathon gelaufen. Mit 40 einen zwanzigjährigen Arbeitsvertrag gekündigt, ausgewandert, den Beruf gewechselt. Mit 43 eine zehnjährige Beziehung beendet, zwei Jahre später eine neue eingegangen. Mit 45 ein Pflegekind angenommen, mit 47 mein erstes Buch geschrieben... Und es gibt noch viele Pläne, seit ich mich vor langer Zeit entschlossen habe, „zu spät“ einfach zu ignorieren.)

 

Kein Lebenslauf ist perfekt

Verabschieden Sie sich also als erstes von der Idee, es gäbe perfekte Lebensläufe - mit stetigem Aufstieg und der besten Chance immer genau zum richtigen Zeitpunkt. So etwas denken sich Leute aus, die Stellen- und Partnerschaftsanzeigen verfassen. Echte Biografien sind vielgestaltig: Frühe und späte Karrieren, Beziehungen und Familiengründungen in jungen und reifen Jahren. Was Sie für „zu spät“ halten, ist wahrscheinlich gar nicht so selten. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Leben seinen eigenen Rhythmus hat.

 

Wenn Sie schon überlegen, tun Sie's

Wenn Sie schon überlegen, ob es für etwas jetzt zu spät sein könnte, sollten Sie es direkt probieren bzw. weiter vorantreiben. In einigen Jahren blicken Sie sonst möglicherweise zurück und bereuen, dass Sie damals (heute) nicht mutiger und entschlossener waren. Bedenken Sie, dass Sie heute durchaus 100 Jahre alt werden können, also selbst mit 50 noch das halbe Leben vor sich haben. Genug Zeit, um sogar einen ganz neuen Beruf zu lernen oder ein Unternehmen zu starten, auch wenn Sie nicht mehr ganz jung sind.

 

Nichts mehr auf ewig verschieben

Verschieben Sie daher nicht jahrelang auf eine unbestimmte Zukunft, was Ihnen wichtig ist. Es wird auch später keine perfekten Umstände geben. Gehen Sie es jetzt an und sehen Sie, wie weit Sie kommen. Jedes Vorhaben hat sowieso schon seinen notwendigen Vorlauf und unvorhersehbare Verzögerungen. Klassischer Fall: Wer seinen Familienwunsch ständig verschiebt - erst Studium, dann Beruf, dann Reisen - muss mit Ende 30 oft feststellen, dass er (wieder) Single ist oder sich der Kinderwunsch aus anderen Gründen nicht erfüllt.

 

Mit dem Alter mutiger werden

Werden Sie mit zunehmendem Lebensalter mutiger und entschlossener, nicht etwa immer ängstlicher und unentschiedener. Ihre verbleibenden Lebensjahre werden immer wertvoller, da sie naturgemäß weniger werden. Gleichzeitig können Sie auch Risiken besser einschätzen und bewältigen als in jungen Jahren, stehen möglicherweise auch finanziell besser da. Vermeiden Sie die mentale Altersfalle: Mit dem materiellen Aufstieg nicht etwa freier werden, sondern immer eingeschränkter (Anspruchsdenken, Lebensstil, Kredite).

 

Keine Zeit für ewige Reue

Behandeln Sie Ihre knapper werdenden Lebensjahre also mit einem gewissen Respekt. Verschwenden Sie keine Zeit für unnötige Ängsten, Sorgen oder Reue. Auch nicht dafür, auf Social Media über Ihre persönliche oder die allgemeine Lage zu klagen. Gehen Sie praktisch an, was für Ihre Ziele notwendig ist. Beispiel: Sie sind Freiberufler und wollen Ihr Geschäftsfeld verändern, um Umsätze zu erzielen. Nicht grübeln, ob es dafür nun zu spät sein könnte - Konzept schreiben, Webseite modernisieren, Angebote verschicken.

 

Rückschläge sind ganz normal

Besonders wichtig ist diese zuversichtliche, pragmatische Einstellung nach einem schweren Rückschlag, wegen dem Sie vielleicht mehrere Lebensjahre verloren haben (z. B nach einer schwierigen Trennung, schweren Krankheit, Pflege von Angehörigen, Insolvenz). Fast jeder Medienprofi erlebt in seinem Leben einmal solch eine Phase und sorgt sich danach, ob es deswegen nun für anderes zu spät sein könnte. Auch hier gilt: Nutzen Sie die Zeit, die noch vor Ihnen liegt. Sie ist fast immer länger, als es Ihnen aktuell scheinen mag.

 

Anderes Ergebnis als erwartet

Manchmal ist es realistisch wirklich nicht mehr möglich, einen bestimmten Wunsch exakt so umzusetzen, wie er einmal erträumt war. Aber oft noch so ähnlich. Beispiel: Möglicherweise ist es aus biologischen Gründen tatsächlich zu spät, eine eigene Familie zu gründen. Aber nicht zu spät, um ein Adoptiv- oder Pflegekind anzunehmen oder sich ehrenamtlich um Kinder zu kümmern (z. B. Hilfsverein, Gemeinde). Seien Sie offen für Möglichkeiten, die zwar nicht genau das sind, was Sie sollten, aber dem doch nahe kommen.

 

Was immer Sie also noch erleben wollen, es ist nie zu spät. Den Arbeitgeber oder den Beruf wechseln. Eine Firma gründen. Schulden zurückzahlen. Eine neue Beziehung eingehen, eine Familie gründen. Sportlicher leben, besser essen. Einen Abschluss nachholen, eine Fremdsprache lernen. Gleichzeitig haben Sie nicht mehr alle Zeit der Welt. Vertrödeln Sie sie also nicht, indem Sie noch mehr davon verlieren. Sie werden feststellen, für wie vieles es doch nicht zu spät war, obwohl es anfangs so schien.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne:  Welche Zumutung ist die eine zu viel?

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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