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„Focus“: Jahresgehalt bis ans Lebensende für FAZ-Herausgeber

Wenn Verlagshäuser ihre Chefredakteure verpflichten, gibt es eigentlich nicht, was es nicht irgendwo in einem Chefredakteursvertrag gibt. Da ist eine freistehende Villa des Verlegers, die ein Chefredakteur fast kostenfrei nutzen darf. Von Bülend Ürük.

Berlin - Natürlich gibt es auch jedes Jahr einen neuen Dienstwagen, man will ja nicht, dass die Autohäuser vor Ort sich beschweren, weil der Chefredakteur immer in einem Wagen dieser oder jener Marke vorfährt: „Wir schalten doch auch Anzeigen bei Ihnen!“. Klar, dass der Verleger da reagieren muss.

Andere haben sich vertraglich verpflichtet, Privatflüge für die Familie zu übernehmen - der besseren Stimmung zu Hause wegen. Auch verdienen manche Chefredakteure so viel, dass mit ihrem Jahresgehalt mehrere Dutzend Volontäre beschäftigt und nach Tarif bezahlt werden könnten.

Mit der Situation bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beschäftigt sich das Nachrichtenmagazin „Focus“ in seiner aktuellen Ausgabe. Zur FAZ hat „Focus“ eine besondere Bindung, Verleger Hubert Burda hat einen Nachruf auf Frank Schirrmacher verfasst, bezeichnet den Jahrhundert-Journalisten Schirrmacher als Freund.

Und die FAZ hat erst kürzlich Ingo Müller, ehemaliger Anzeigenleiter vom „Focus“ als Leiter des Bereichs Werbemärkte/Media Solutions für „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ sowie FAZ.net verpflichtet.

„In Schockstarre“ haben nun Medienchef Robert Vernier und der bestens verzahnte Medienautor Günther Bähr ihren einseitigen Bericht über die Situation bei der „FAZ“ betitelt. Vermessen und unverschämt ist ihr Anreißer, in dem sie schreiben, dass nach dem Tod von Frank Schirrmacher „ein Nachfolger nicht in Sicht“ sei. Schirrmacher ist am vergangenen Donnerstag gestorben, der Verlag in Frankfurt trägt Trauer. Am Wochenende sind die ersten Ausgaben erschienen, in denen Frank Schirrmacher aus der Herausgeberleister von FAZ bzw. FAS gestrichen wurde (was "Tagesspiegel"-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff dazu verleitet hat, "Mehr Anstand!" zu fordern).

„Focus“ geht in dem Beitrag aber auch darauf ein, dass Herausgeber Günther Nonnenmacher, 65, der offiziell zur Jahresmitte in den Ruhestand wechseln sollte, im Herausgeber-Gremium nicht ersetzt wird. Die FAZ, wir erinnern uns, hat keinen Chefredakteur, sondern Herausgeber, die die jeweiligen Ressorts verantworten - das sind aktuell neben Nonnenmacher Werner D’inka, Berthold Kohler und Holger Steltzner.

„Focus“ notiert: „Sparzwänge dürften den Ausschlag gegeben haben, schließlich verdient jeder Herausgeber ein Jahresgehalt im mittleren sechsstelligen Bereich - bis ans Lebensende.“

Das „Jahresgehalt im mittleren sechsstelligen Bereich“ könne durchaus stimmen, rechnet ein FAZ-Redakteur am Telefon vor. Aber bis ans Lebensende? Das habe er noch nicht gehört, dafür fehle ihm der Einblick in die Verträger seiner Herausgeber.

Weder bestätigt noch widerspricht der „FAZ“-Sprecher der „Focus“-Berichterstattung. „Zu den Modalitäten der Herausgeberverträge äußern wir uns öffentlich nicht“, so Sprecher Andreas Tazl zu Newsroom.de - nur: ein echtes Dementi klingt tatsächlich anders.

Bekannt ist, dass neben der die FAZ tragenden FAZIT-Stiftung auch die Herausgeber dem Gesellschafterkreis des Verlages angehören - solange sie in Amt und Würden sind.

Dass sie aber bis an ihr Lebensende ihr Gehalt in „mittlerer sechsstelliger Höhe“ erhalten sollen, ist neu - und wäre ein Argument für den einen oder anderen Chefredakteur bei einer Regionalzeitung, bei der nächsten Vertragsverhandlung einen ganz neuen Aspekt einzubringen: die Absicherung bis ans Lebensende, fernab von staatlicher Rente oder privater Vorsorge.

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Bülend Ürük