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"Abstimmungspanne": "Deutschlandradio" stellt Kommentar zu Wehrbeauftragten erneut online

Der öffentliche Druck war diesmal zu groß - das "Deutschlandradio" stellt einen kritischen Kommentar erneut auf seine Seite.

Berlin - Es gibt nur wenige Medien, die solch eine Reputation genießen wie das "Deutschlandradio". Seriös, trocken, direkt; schon am frühen Morgen sprechen hier die deutschen Spitzenpolitiker in Interviews Tacheles. Und das Gute - was live gesendet wird, kann von keinem Pressestab der Welt zurückgeholt werden. Was immer nur völlig aus der Bahn wirft, ist die Musikauswahl.

Unabhängigkeit gehört zum Deutschlandradio aber wie der Hummer und das Steak zu Surf 'n' Turf. Fast hätte in den vergangenen Tagen der Eindruck entstehen können, dass die Chefredaktion von Deutschlandfunk Kultur wie eine Annelida kein Rückgrat besitzt.

 

Willi Steul, Intendant "Deutschlandradio". Eine Einmischung der Politik lässt der oberste nationale Hörfunker nicht zu. Foto: Bettina Fürst-Fastré/Deutschlandradio

 

"Dem Wehrbeauftragten des Bundestages passt ein Kommentar auf Dradio-Kultur nicht. Prompt wird der Beitrag im Netz gelöscht", schreibt zu dem Vorfall Steffen Grimberg in der "tageszeitung".

Doch Karl-Heinz Stamm vom Deutschlandradio erklärt nun, dass es sich lediglich um eine "Abstimmungspanne" gehandelt habe.

Der Kommentar sei aus "rein journalistischen Gründen" zuerst aus dem Online-Angebot geflogen.

Intendant Willi Steul wolle aber auf jeden Fall verhindern, dass sich das Bild in der Öffentlichkeit manifestiere, dass das Deutschlandradio dem Wehrbeauftragten und seinem Druck nachgibt.

Daher kann jetzt wieder im Deutschlandfunk gelesen und gehört werden, was der Journalist Klaus Pokatzky am 20. Juli über den Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus veröffentlicht hatte.

Pokatzky erklärte klar: "400 Rekruten aus ganz Deutschland hätten heute Abend so schön an einem symbolträchtigen Ort am symbolträchtigen Datum geloben können. Der Wehrbeauftragte hat dafür gesorgt, dass den ganzen Tag über von seinem "Ministerialheer" die Rede war. Das ist eine Beleidigung der Freiwilligen, die heute Abend geloben. Das ist eine Verhöhnung des Widerstandes. Früher gab es mal Wehrbeauftragte. Heute gibt es einen Ego-Beauftragten."

Was jetzt an dem Kommentar wirklich handwerklich nicht sauber sein sollte, wie es Deutschlandradio-Kultur Chefredakteur Peter Lange laut "taz" gesagt haben soll, erschließt sich auch beim erneuten Lesen und Hören nicht. Der Kommentar ist deftig, aber das muss ein Politiker - zumal ein liberaler Vertreter - abkönnen.

Die Entscheidung, den Kommentar wieder online zu stellen, ist richtig. Was jedoch bleibt, ist das Bewusstsein, das in Zeiten von Medienvielfalt selbst der Hauch von Gehorsam des nationalen Hörfunks der Politik gegenüber zu einem Sturm der Entrüstung aufziehen kann.

Bülend Ürük

NEWSROOM-Tipp: Hier geht es zum Kommentar "Vom Wehr- zum Ego-Beauftragten" von Klaus Pokatzky