Pressefreiheit
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Journalistik-Professor Überall zu „tazgate“: „Schwarzer Tag für Journalismus und Pressefreiheit“

Der Spionageangriff auf die „taz“ ist das Gesprächsthema in den Redaktionen. Für den Kölner Journalistik-Professor Frank Überall ist es ein „schwarzer Tag für Journalismus und Pressefreiheit“. Von Bülend Ürük.

Berlin - DJV-Sprecher Hendrik Zörner sagt: „Das ist ein ungeheurer Fall von Vertrauensmissbrauch des Journalisten gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen.“

Wie Newsroom.de zuerst berichtet hatte, wurde die Berliner „taz“ nach unseren Recherchen Opfer eines Spionageangriffs. Hinter der Tat soll ein langjähriger Redakteur stecken, der dafür einen so genannten Keylogger eingesetzt hat (Newsroom.de-Bericht: Angriff von innen: Spionierte langjähriger Redakteur die „taz“ aus?). Auf Twitter wird das Thema unter #tazgate diskutiert.

 

Prof. Dr. Frank Überall lehrt Journalismus an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin). Er ist ehrenamtliches Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Journalisten Verbands (DJV). Foto: Manfred Wegener

 

Die "taz", die in anderen Fällen stets auf schnelle Antworten pocht, hielt sich mit Aussagen in eigener Sache zurück. Lediglich Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch ließ verlauten: "Zu Personalangelegenheiten äußert sich die taz grundsätzlich nicht."

„Dass Journalistinnen und Journalisten von Geheimdiensten ausgespäht werden könnten, ist uns in den letzten Monaten schmerzlich bewusst geworden. Dass solche Angriffe auf die Pressefreiheit aus den eigenen Reihen kommen könnten, ist einfach unfassbar“, sagt der Kölner Journalistik-Professor Frank Überall gegenüber NEWSROOM.

Und fügt hinzu: „Ich weiß nicht, was den mutmaßlichen Täter dazu verleitet hat. Vielleicht wollte er bei der taz etwas "aufdecken". Ich kann mir aber nicht ansatzweise vorstellen, was das sein soll - etwas, das so gewichtig ist, dass es über Pressefreiheit, Redaktionsgeheimnis und Vertraulichkeit eigener Kommunikation steht. Bisher sprechen alle Indizien dafür, dass es sich eher um einen ziemlich breit angelegten digitalen Lauschangriff handelte. Warum auch immer. Und das in einer Redaktion, die Whistleblower anlockt, investigativ recherchiert und sich selbst als weltoffen und links sieht.“

Für Frank Überall ist der „ideele Schaden, der durch solche Praktiken entsteht, ist enorm und grundlegend. Das Redaktionsgeheimnis wurde verletzt, das Vertrauen in die Freiheit der Presse wird untergraben, in der Folge werden potenzielle Informanten abgeschreckt. Ein wahrlich schwarzer Tag für den Journalismus und für die Pressefreiheit“, so Frank Überall.

DJV-Sprecher Hendrik Zörner betont: „Das ist ein ungeheurer Fall von Vertrauensmissbrauch des Journalisten gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen. Und natürlich auch gegenüber den Informanten der taz. Im Interesse der Informanten muss die taz schnell herausfinden, ob deren Kontaktdaten und die Inhalte der Kommunikation zwischen der Redaktion und ihren Quellen von dem Datendiebstahl betroffen sind“, so Zörner zu NEWSROOM.

Frank Überall fordert Journalisten auf, noch vorsichtiger zu sein: „Der Fall zeigt, wie wichtig es für Journalistinnen und Journalisten ist, ständig ihr Kommunikationsverhalten auf den Prüfstand zu stellen. Im Alltag fällt das oft nicht leicht, auch mir nicht: Wer guckt schon regelmäßig nach, ob am genutzten Computer ein Keylogger angebracht ist, wer scannt seinen Rechner regelmäßig auf Spähprogramme, wer nutzt konsequent Mail-Verschlüsselung? Dass eine der bedeutendsten Tageszeitungsredaktionen in Deutschland anscheinend Opfer eines solchen Angriffs wurde, sollte alle nachdenklich stimmen.“

Gegenüber Newsroom.de erklärte DJV-Sprecher Hendrik Zörner, dass ihm ein ähnlicher Fall der Redaktionsspionage wie jetzt bei der „taz“ nicht bekannt ist.

Bülend Ürük