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Wirecard-Aufdecker: Ja, wir wurden bedroht

Wirecard-Aufdecker: Ja, wir wurden bedroht Dan McCrum

Dan McCrum deckte den Bilanzskandal bei Wirecard auf, obwohl sich das Unternehmen erbittert und mit zweifelhaften Methoden wehrte. Wie hat der „Financial Times“-Journalist das gemacht?

München – Fünf Jahre schrieb Dan McCrum in der „Financial Times“ über das deutsche Fintech-Wunder Wirecard. Von Anfang an hielt er das Unternehmen für eine Betrügerfirma. Der Investigativjournalist wurde von Wirecard stark unter Druck gesetzt, verfolgt und überwacht. Ihm wurden Insidergeschäfte mit Shortsellern unterstellt. Die deutsche Bankenaufsicht BaFin zeigte ihn bei der Staatsanwaltschaft an, die noch immer gegen ihn ermittelt. Im Interview mit dem „Wirtschaftsjournalisten“ erklärt er, wie er weitermachte und einen der größten deutschen Wirtschaftsskandale aufdeckte.

 

Sie haben für die „Financial Times“ einen der vermutlich größten Wirtschaftsskandale Deutschlands enthüllt. Wieso musste ein Reporter einer britischen Zeitung diese Vorgänge aufdecken?

Dan McCrum: Gute Frage! Alle deutschen Wirtschaftsredaktionen haben diese Sache übersehen. Ich glaube, es ist ungewöhnlich, dass ein Journalist einen solchen Betrug aufdeckt. Ich habe von 2015 an eine Reihe von Artikeln geschrieben und das hatte zur Konsequenz, dass Whistleblower sich an die „Financial Times“ wandten, als sie bereit waren, über Interna des Unternehmens zu sprechen. 

 

Nicht der „Spiegel“, nicht das „Handelsblatt“, nicht die „Süddeutsche“ und auch nicht die „FAZ“ haben Wirecard überführen können. Woran hat es gelegen, dass die deutschen Medien diese Aufdeckungsarbeit nicht geleistet haben? 

Wirecard hat es für eine sehr lange Zeit sehr gut geschafft, dass niemand das Geschäftsmodell infrage stellt. Die Konten waren so eingerichtet, dass man das System nicht durchschauen konnte. Auf diese Weise konnte Wirecard sich immer auf die Erklärung zurückziehen: Schau her, alles ist sehr kompliziert, du verstehst das nicht, lass es uns dir erklären! Zudem war Wirecard erfolgreich, Kritiker zu diffamieren.

Wirecard hat das immer wieder versucht – so beispielsweise 2008 oder 2016 mit dem Zatarra-Bericht. Ich erinnere mich, dass ich 2015 von Wirecards Anwälten Post bekam. Sie deuteten an, dass die „Financial Times“ von Shortsellern missbraucht werde. Wirecard hat sehr erfolgreich die Ansicht in die Welt gesetzt, dass alle Personen, die die Firma infrage stellen, Wirecards Geschäfte entweder einfach nicht kapieren oder fremden Interessen dienen.

 

Bei Ihren Recherchen ging es um sehr viel. Stimmt es, dass Sie in dieser Zeit bedroht wurden? 

Es gab Idioten auf Twitter, die meinten, ich solle doch ins Gefängnis gehen. Wirecard bedrohte meinen Ruf und den der „FT“, indem sie behauptete, wir seien Kriminelle. Also ja, wir wurden bedroht. 

 

Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hatte offenbar Kontakte zu Geheimdiensten. Hatten Sie jemals Angst um Ihre Familie? 

Ich hatte an einem gewissen Punkt Probleme zu schlafen. Es gab Zeiten, an denen viel Hacking stattfand, viele Leute waren sauer auf mich. Es gab Zeiten mit vielen schlaflosen Nächten. 

 

Als Sie merkten, was Wirecard unternahm, um Sie aufzuhalten, was ging da durch Ihren Kopf? 

Einerseits waren alle Dinge, die passierten, sehr alarmierend. Andererseits hieß das, wir waren auf einer heißen Spur! Man macht solche Dinge nicht, wenn man eine normale Firma ist. Da Wirecard den guten Ruf der „FT“ anzweifelte, mussten wir gewissermaßen weitermachen, um zu beweisen, dass wir recht haben. Wir hörten nicht auf, weil es Wirecard für uns unmöglich machte, aufzuhören. 

 

Was können wir von diesem Fall lernen? 

Man muss Fragen stellen, bis man Antworten erhält, die Sinn ergeben. Das war der Kern unserer journalistischen Arbeit. 

 

Das Interview ist ein Auszug aus der Titelgeschichte des aktuellen „Wirtschaftsjournalisten“.