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Melina Borčak: „Aktivismus ist nur ein Code für unbequeme Leute“

Melina Borčak: „Aktivismus ist nur ein Code für unbequeme Leute“ Melina Borčak

Die freie Journalistin ist es leid, von Redaktionen Betroffenheit unterstellt zu bekommen, wenn sie über ihre Heimat Bosnien berichtet. Beim SWR ortet Borčak „Grundschulreferatsniveau“.

Berlin – Die freie Journalistin Melina Borčak ist es leid, von Redaktionen Betroffenheit unterstellt zu bekommen, wenn sie über ihre Heimat Bosnien berichtet. Im Interview mit Niklas Münch und Tobias Hausdorf für das „medium magazin“ spricht sie über Fallschirmjournalismus und „Grundschulreferatsniveau“ beim SWR.

 

Sie arbeiten journalistisch zu vielen Themen mit gesellschaftlichem Spannungspotenzial: antimuslimischer Rassismus, fehlende Diversität in den Medien, aber auch der Völkermord an Bosniaken und Bosniakinnen in den 90ern. Wie oft wird Ihnen dabei Aktivismus vorgeworfen?

Melina Borčak: Sehr oft. Ich glaube, es liegt an meinen Themen, die bei den Leuten moralische Abwehrgefühle auslösen. Wenn ich Sportjournalistin wäre, würde mir niemand Aktivismus vorwerfen. Es kann schließlich kaum politisch sein, wenn man darüber berichtet, dass Hertha BSC ein Spiel verloren hat. Wenn ich aber darüber berichte, dass es mitten in Europa in den 90ern einen Genozid an europäischen Muslimen gab, und man sie vier Jahre lang sterben ließ durch Waffenembargo und Blockaden, dann sind das genau wie beim Hertha- Spiel belegte Fakten. Daran ist erst mal nichts kontrovers oder hinterfragbar. Doch solche Fakten wecken Abwehremotionen.

 

Wie sehen solche Vorwürfe aus?

Meistens wird mir das nicht direkt ins Gesicht gesagt. Aber wenn ich bestimmte Jobs nicht bekommen habe, obwohl ich dafür qualifiziert war, habe ich oft später von Bekannten in der Redaktion erfahren, dass ich für zu aktivistisch gehalten wurde. Einmal wurde ich sogar zu einem Podcast nicht eingeladen, weil die Redaktion meinte, dass ich zu aktivistisch sei. Aber die Person, die sie statt mir eingeladen haben, war eine wirkliche Aktivistin, die sogar eine eigene NGO gegründet hat. Das zeigt auch, dass dieses Label „aktivistisch“ einfach ein Code für unbequeme Leute ist, mit denen die Redaktionen nicht umgehen können.

 

 

Können Sie verstehen, wenn die Redaktionen und Medien sagen: Wir müssen auf unsere Außenwirkung achten?

Wenn sie auf ihre Außenwirkung achten möchten, können sie an ganz anderen Punkten ansetzen, beispielsweise beim grauenvoll schlechten Auslandsjournalismus. Es gibt so viel Fallschirm- und Schreibtischjournalismus in Deutschland. Ich habe mich vor ein paar Wochen mit dem „Sack Reis“-Podcast des SWR beschäftigt, weil sie eine Folge über Bosnien- Herzegowina veröffentlicht hatten, die viele Fehler enthielt. Ich habe ihnen eine Anfrage für einen Artikel gestellt und sie haben mir ihren Rechercheweg geschickt. Das ist Grundschulreferatsniveau. Sie haben nicht vor Ort recherchiert, keine Primärquellen genutzt, niemand von ihnen spricht die Sprache oder hat die Expertise. Sie haben einfach aufgezählt, welche Artikel aus deutschen Medien sie zu dem Thema gelesen haben, bevor sie daraus ihre Folge zusammengeschustert haben – offenbar auch ohne Faktencheck. Es fehlt da aus meiner Sicht an ganz grundlegenden Qualitätsansprüchen …

 

Das ganze Interview finden Sie hier.

 

Melina Borčak ist freie Journalistin und Filmemacherin, u. a. für CNN, rbb, Deutsche Welle. Seit fünf Jahren lebt sie in Deutschland und arbeitet u. a. zu den Schwerpunkten antirassistische Medienkritik, (antimuslimischer) Rassismus, Genozid, Flucht.

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