Pressefreiheit
NEWSROOM, DAPD

Bei Auslandsrecherchen: So zivil wie möglich und immer mit einem kritischen Blick

Der Journalist Christoph Maria Fröhder rät Reportern, nicht alleine durch Krisengebiete zu reisen. Hanna Hauck hat ihn getroffen.

Berlin (dapd) - Es ist ein trauriger Rekord, den die Organisation Reporter ohne Grenzen vermelden musste: In diesem Jahr erreichte die Zahl der getöteten Berichterstatter den höchsten Stand seit der ersten Bilanz im Jahr 1995. 88 Journalisten, 47 Blogger und 6 nicht-redaktionelle Mitarbeiter starben demnach wegen ihrer Tätigkeiten.

Der Journalist Christoph Maria Fröhder hat zahlreiche Krisengebiete besucht und kennt die Gefahren dort. Unter anderem berichtete er aus Biafra (heute Teil Nigerias), Afghanistan und dem Irak. Im Gespräch mit Hanna Hauck spricht der 70-Jährige über seine Erfahrungen.

Herr Fröhder, wie sind Sie mit den Gefahren in Krisengebieten umgegangen?

Christoph Maria Fröhder: Journalisten sollten sich so zivil wie möglich geben. Man muss sich von der Kleidung her der Bevölkerung annähern. Unser größtes Handicap sind natürlich die Kameraausrüstungen, die einfach nicht zu verbergen sind. Meine Erfahrung ist, dass man nur in Ausnahmefällen alleine vorgehen sollte. Besser ist es, sich einer Gruppe anzuschließen, weil man dann automatisch durch die arabische Gastfreundschaft im Nahen Osten insbesondere, aber auch in der afrikanischen Welt, geschützt wird. Das Gleiche gilt für Afghanistan. Wenn Sie nur mit einem Kameramann durch Afghanistan fahren, wie ich das mehrfach gemacht habe, ist das Risiko einfach verdoppelt. Auf der anderen Seite ist das große Problem, wenn Sie zu nah an einer Gruppe dran sind, also speziell an den Militärs, werden Sie natürlich immer nur deren Sicht sehen.

Es gibt aber auch ganz praktische Hürden. Krisengebiete sind oft nur schwer zugänglich. Die Infrastruktur ist meist in einem schlechten Zustand...

Christoph Maria Fröhder: Das sind Banalitäten. Die haben sie da immer. Bei meiner ersten Afghanistanreportage in den 1980er Jahren bin ich sieben, acht, neun Tage - bis ich kaum mehr gehen konnte - Berg rauf, Berg runter. Das ist normal. Damit muss man Leben. Ansonsten sollte man sich in so einen Bereich nicht begeben.

An Informationen heranzukommen, ist sehr schwer in Krisengebieten. Die Menschen, die dort leben, sind natürlich skeptisch und kämpfende Parteien haben ein Interesse daran, dass gewisse Informationen nicht an die Öffentlichkeit geraten. Wie sind Sie da vorgegangen?

Christoph Maria Fröhder: Also, ich versuche in erster Linie den Jovialen herauszukehren, den etwas Ironischen und dadurch auf einer gewissen Ebene Kontakt zu finden. Ganz typisches Beispiel: Im Irak fuhren wir in einen Checkpoint hinein. Rund 20 Leute hielten uns Kalaschnikows vor die Nase und wollten uns kidnappen. Sie verlangten Lösegeld. Dann habe ich gesagt: "Die Bundesregierung wird doch niemals Geld für jemanden wie mich geben. Die habe ich so viel geärgert. Die machen drei Kreuze, wenn ich weg bin." Da waren sie völlig frappiert. Einen Jungen, der mir die Kalaschnikow ganz besonders intensiv vor die Nase hielt, habe ich auf den Schmutz auf seiner Waffe hingewiesen. So haben wir plötzlich eine ganz andere Ebene erreicht. In der ganzen Situation darf man zu keinem Zeitpunkt unsicher wirken.

Es gibt Berichterstatter, die als "embedded" - auf Deutsch eingebettete - Journalisten Soldaten begleitet haben.

Christoph Maria Fröhder: Das ist das Schlimmste, was man tun kann, nach meinem Dafürhalten. Dann lieber keinen Bericht. "Embedded" heißt, Sie geben Ihre journalistische Unabhängigkeit auf. Sie sind automatisch eine Art besserer PR-Berater, weil Sie nur noch an Informationen kommen, die die Armee ihnen zukommen lassen will. Es gibt Alternativen, sich selbst zu schützen. In absolut kritischen Situationen heuert man Bodyguards an. Ich mache das nur in Ausnahmefällen.

Nicht nur das Militär, auch Hilfsorganisationen bieten Journalisten ihre Unterstützung an. Auch diese Gruppen verfolgen dabei eigene Interessen. Wie kann ein Journalist da noch eine gewisse Neutralität wahren?

Christoph Maria Fröhder: Der Moderator muss einen Beitrag entsprechend ankündigen und dabei diese Thematik ansprechen. Dann müssen Sie zusätzlich im Kommentar differenzieren. Sie müssen sagen: Wir konnten nur diese oder jene Gruppe begleiten. Dadurch sind wir automatisch in eine Situation gekommen, in der wir von der normalen Recherche quasi ein bisschen abgeschnürt waren. Wir konnten nicht so arbeiten und uns so bewegen, wie wir es gerne gemacht hätten. Aber trotz allem sind mir ja nun doch Sachen gelungen: Ich glaube, die einzigen Bilder aus Abu Ghuraib, bevor die amerikanischen GI-Bilder von der Folterung irakischer Gefangener bekannt wurden, die sind von mir.

In diktatorischen Regimes werden Journalisten nicht selten Begleiter an die Seite gestellt, die jeden ihrer Schritte überwachen. Macht es aus Ihrer Sicht Sinn, sich auf so etwas einzulassen?

Christoph Maria Fröhder: In Nordkorea wird man gar nicht darum herumkommen, einen solchen Begleiter zu haben. Auch dort können Sie, wenn der Kameramann gewitzt ist, Sachen drehen, die die nicht sehen. Ihr Hauptproblem ist es, das aus dem Land herauszubekommen. In Bagdad, während des letzten Golfkrieges, hatte ich immer Hessenschau-Kassetten dabei, die wir arabisch beschriftet hatten. Die konnten sie in ihrem Player nicht anschauen. Dennoch haben sie dann ihren Stempel drauf gemacht. Ich habe das Label wieder abgemacht, es auf die richtige Kassette geklebt und wir haben das Material gesendet.

Das Vereinte Nationen Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg bietet Seminare an, in denen Journalisten beigebracht werden soll, wie sie sich in Krisengebieten möglichst sicher bewegen. Was halten Sie von solchen Angeboten?

Christoph Maria Fröhder: Gar nichts. Ich bin vor einigen Jahren in Hammelburg gewesen, um einen Film zu machen. Irritiert hat mich eine Kumpanei zwischen den Ausbildern und den Journalisten. Je näher Journalisten und Militärs sich kommen, umso höher ist das Risiko, dass bei der späteren Berichterstattung nicht mehr journalistische Ethik und ein kritischer Blick im Vordergrund stehen, sondern Verständnis für die Aufgaben der Militärs. Aber deren Aufgaben sind völlig andere als unsere. Dort werden viele Rollenspiele gemacht. Das ist für jemanden, der keine Erfahrung und keine Einfälle hat, vielleicht nützlich, dem mag das helfen. Ich habe mich da immer auf die eigene Intuition verlassen und die wird natürlich durch die eigene Erfahrung, aber auch durch die Situation vor Ort letztlich bestimmt. Sie müssen jedes Mal eine neue Lösung finden, wie Sie aus so einer Klemme herauskommen.

Mit Christoph Maria Fröhder sprach Hanna Hauck.